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Temelin: Kühlflüssigkeit ausgetreten

Die Serie von Zwischenfällen im Atomkraftwerk Temelin reißt nicht ab. Im ersten Reaktorblock des tschechischen Meilers sind erneut 1.100 Liter Kühlflüssigkeit ausgetreten.

Das AKW gab am Mittwoch bekannt, dass am Dienstagnachmittag ein Kubikmeter Kühlwasser im ersten Reaktorblock ausgetreten ist. Radioaktivität sei keine frei geworden. Bereits am Montag voriger Woche war es zu einem Zwischenfall dieser Art gekommen. Atomgegner sowie Grüne, FPÖ und BZÖ forderten umgehend eine schnelle Einbringung der Völkerrechtsklage gegen Tschechien wegen des AKW.

Im Zuge eines Drucktests zur Überprüfung der Dichtheit der Anlage sei „etwa ein Kubikmeter“ Kühlwasser mit Borsäure ausgetreten, sagte AKW-Sprecher Milan Nebesar. Die Flüssigkeit sei „auf standardisierte Weise“ in ein dafür bestimmtes Becken abgeleitet worden. Der Zwischenfall habe sich im abgesicherten Bereich des Meilers ereignet. Weder die Umwelt noch die Gesundheit der Mitarbeiter sei gefährdet worden.

Der Zwischenfall war zuvor vom Sprecher des Umweltministeriums, Daniel Kapp, vermeldet worden. Kapp berichtete der APA von einer telefonischen Vorausinformation der tschechischen Behörden über den Austritt von 1.100 Liter Kühlflüssigkeit. „Angesichts des erneuten Vorfalls innerhalb von wenigen Tagen gibt die Sicherheitskultur im Atomkraftwerk Anlass zu ernsthaften Fragen“, sagte Kapp. Zur von der Opposition geforderten Völkerrechtsklage gegen Tschechien sagte er, diese sei „auf Schiene“.

Der Vorfall von voriger Woche hatte zu einer Verstimmung zwischen Wien und Prag geführt. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer besuchte am Dienstag – einen Tag nach dem Zwischenfall – die tschechische Hauptstadt. Sein Amtskollege Mirek Topolanek setzte Gusenbauer aber nicht vom Austritt von 2.000 Liter Kühlflüssigkeit im ersten Reaktorblock in Kenntnis. Erst am Donnerstag erfolgte die laut dem „Melker Protokoll“ über Sicherheitsmaßnahmen in Temelin vorgeschriebene Meldung an Österreich.

Die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig sowie BZÖ- und FPÖ-Spitzenvertreter in Oberösterreich forderten am Mittwoch eine sofortige Einbringung der Völkerrechtsklage gegen Tschechien. „Die Temelin-Betreiber sind nicht bereit, das Atomkraftwerk entsprechend nachzurüsten und brechen damit einen bestehenden völkerrechtlich bindenden Vertrag“, betonte Glawischnig. Der oberösterreichische FPÖ-Obmann Lutz Weinzinger sagte, für ihn sei „das Maß voll“. Der stellvertretende oberösterreichische BZÖ-Obmann Max Walch rief Gusenbauer zu einer Intervention in Brüssel gegen den „Todesreaktor Temelin“ auf.

Die Plattform „atomstopp_oberoesterreich“ wies darauf hin, dass es sich schon um den 16. Austritt von radioaktiv kontaminierter Flüssigkeit aus undichten oder offenen Leitungen in Temelin gehandelt habe. Mit jedem Vorfall „steigt das Risiko enorm, dass der nächste Störfall nicht mehr kontrollierbar ist“. Der Präsident des Oberösterreichischen Zivilschutzverbandes, der Landtagsabgeordnete Anton Hüttmayr, schlug vor, Österreich solle künftig seine EU-Nettozahler-Beiträge teilweise als „gebundene Mittel“ für den Atom-Ausstieg überweisen.

Bundeskanzler Gusenbauer äußerte sich indes gesprächsbereit über einen Vorschlag von Topolanek, einen neuen Vertrag mit Österreich über Temelin zu schließen. „Wenn die völkerrechtliche Klagsmöglichkeit Österreichs außer Streit gestellt wird, wäre das ein Fortschritt“, sagte Gusenbauer im Ö1-Mittagsjournal. Glawischnig bezeichnete Topolaneks Vorstoß dagegen als „sinnloses Ablenkungsmanöver“. Die Atomgegner werfen Tschechien vor, die Betriebsgenehmigung für das AKW erteilt zu haben, ohne die im „Melker Protokoll“ vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt zu haben.

Das Umweltministerium gab indes bekannt, in der Nähe des ungarischen AKW Paks ein Luftmessgerät (Aerosolmonitor) installiert zu haben. Es ergänzt Geräte, die bereits bei den AKW Temelin, Jaslovske Bohunice (Slowakei) und Krsko (Slowenien) in Betrieb sind und frühzeitig erhöhte Strahlung in der Luft feststellen sollen. Österreich setze zum Schutz seiner Bevölkerung auf den Ausbau von Frühwarnsystemen, da für viele osteuropäische Staaten „offenbar ein Ausstieg aus der Kernenergie kurzfristig nicht so leicht zu erreichen“ sei, so Umweltminister Josef Pröll (V).

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