Anschließend ging der 56-Jährige in sein Büro und tötete sich selbst. Es ist ein großer Fehler zu sagen, das sind Einzelpersonen, meinte der Tiroler Kriminalpsychologe Thomas Müller zur APA. Fälle von Gewalt am Arbeitsplatz – wenn auch nicht mit tödlichen Folgen – gehen exorbitant nach oben, sagte der Bestsellerautors anlässlich des 3. Information-Security-Symposium am Donnerstagnachmittag in Wien der APA.
Bei Gewalttaten komme es immer mehr zu einer Verschiebung von öffentlichen und häuslichen hin zu Delikten am Arbeitsplatz. Work Place Violence reiche von Diebstahl aus der Kaffeekassa über Klau von sensiblen Daten bis hin zu tätlichen Übergriffen auf Kollegen oder Chefs. Laut einer Studie aus dem Jahr 2006 sind bereits über die Hälfte aller Unternehmen im deutschsprachigen Raum davon betroffen – Firmen mit mehr als 200 Mitarbeitern sogar zu 60 Prozent. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher, meinte Müller.
Ausbeutung statt Erfüllung
Büros seien in zunehmendem Maße ein Ort der Entleerung, nicht der Erfüllung. Viele Menschen kommen mit ihrem Selbstwertgefühl nicht mehr zurecht, sagte Müller. Kommen zu andauerndem Stress auch noch persönliche Belastungen wie Todesfälle, Krankheiten oder finanzielle Sorgen dazu, braut sich ein gefährlicher Cocktail zusammen. Gemixt mit mangelnder Identifizierung der Mitarbeiter mit einem Unternehmen, etwa durch Fusionen oder rasche Umstrukturierungen, könne sich alles entladen.
Ein Ventil dafür sei Mobbing. Wenn sich Menschen selbst nicht mehr erhöhen können, unterdrücken sie andere, erklärte Müller. Der Betrieb ist nur mehr Mittel zum Zweck. Jeder fünfte Selbstmord sei mittlerweile auf psychischen Terror durch Kollegen zurückzuführen. Zudem koste ein Unternehmen jeder derartige Fall zwischen 5.000 und 20.000 Euro. Auch Work Place Violence sei kostspielig: Die Schadenssummen reichen von einigen tausend Euro bis zu dreistelligen Millionenbeträgen, rechnete Müller vor.
Vorgesetzte interessieren sich nicht
Schuld an dem vermehrten Auftreten von Kriminalität am Arbeitsplatz sei das mangelnde Interesse vieler Vorgesetzter an den Problemen von Mitarbeitern und das rasante Tempo der Kommunikation. Die technische Verbreitung von Informationen passiere mit der Schnelligkeit eines D-Zuges. Dagegen verhalte sich die psychologische Face-to-Face-Kommunikation wie eine Dampflok. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, so der Profiler. In einer Zeit, in der Menschen Beziehungen per SMS beenden, stelle sich die Frage, wie man in Krisensituationen miteinander umgehe. Viele Entscheidungsträger seien zwar fachlich hoch qualifiziert, könnten in brenzligen Situationen aber nicht mit ihren Mitarbeiten kommunizieren.
Faktor Mensch kommt zu kurz
Im Mittelpunkt stünden Erträge, nicht Emotionen. Der Faktor Mensch kommt zu kurz, meinte Müller. Es ist legitim, aber gleichzeitig naiv zu sagen, dass private Probleme am Arbeitsplatz nichts verloren haben, so der Experte.