Juschtschenko drohte in Kiew erneut damit, das Parlament aufzulösen. Ich sage offen, dass ich dazu bereit bin, erklärte er nach einem Kongress seiner Partei Unsere Ukraine. Am Montag wollte der Präsident mit den Fraktionsführern im Parlament das weitere Vorgehen besprechen.
Das Stadtzentrum von Kiew wurde wieder zum Schauplatz der politischen Auseinandersetzung in der Ukraine wie zu Zeiten der Orangen Revolution Ende 2004. Nach Polizeiangaben demonstrierten bis zu 65.000 Menschen verschiedener Gesinnung friedlich. Zwischenfälle gab es nicht. Kleinere Kundgebungen fanden auch in anderen Städten statt. Auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew forderten die Oppositionsführer Julia Timoschenko und Juri Luzenko den Präsidenten auf, die Oberste Rada (Nationalversammlung) wie angedroht aufzulösen. Viktor Andrejewitsch Juschtschenko, wir haben Dich in Dienst genommen, damit Du unsere Rechte und unser Land beschützt. Erfülle Deine Aufgabe: Weg mit dem Parlament!, rief Ex-Innenminister Luzenko vor etwa 25.000 Menschen.
Nur 500 Meter weiter auf dem Europaplatz versammelten sich knapp 40.000 Anhänger des Regierungschefs und ehemaligen Kontrahenten Juschtschenkos bei der Präsidentenwahl, Janukowitsch. Wir werden keinerlei Ultimaten akzeptieren, die über Recht und Verfassung hinausgehen, sagte Janukowitsch. Der Ministerpräsident stützt sich in der im März 2006 gewählten Obersten Rada auf eine Mehrheit aus seiner eigenen Partei der Regionen, den Kommunisten und Sozialisten.
Janukowitsch hat in den vergangenen Monaten seine Macht auf Kosten des Präsidenten ausgebaut. Juschtschenkos Rückgriff auf Straßenproteste wirkt auf politische Beobachter wie ein letzter Versuch, den Verfall seines Einflusses zu stoppen. Eine Auflösung des Parlaments ist jedoch riskant für Juschtschenko, denn sein Lager kann nach Umfragen im Falle von Neuwahlen nicht mit einem Sieg rechnen.
Zuletzt entzündete sich der Zorn des Präsidenten daran, dass die Parlamentsmehrheit immer wieder Abgeordnete der Opposition abwarb, sei es für einzelne Abstimmungen oder für dauerhafte Fraktionswechsel. Die Oberste Rada müsse einen Fraktionszwang einführen, forderte Juschtschenko am Samstag. Andernfalls seien die Parlamentsmehrheit und die von ihr getragene Regierung illegitim.
Janukowitsch betonte: Wir rufen den Präsidenten und die Opposition auf, gemeinsam unseren Staat aufzubauen, um die Lebensbedingungen unseres Volkes zu verbessern. Auf Transparenten bezeichneten die Janukowitsch-Anhänger eine Auflösung des Parlaments als Verbrechen. Anhänger von Janukowitsch bauten Zelte in einem Park in Kiew auf.