Die Großmutter war laut Medienberichten um das Wohl ihrer Enkel besorgt und zeigte ihre Tochter am vergangenen Sonntag bei der Polizei an. In Oberösterreich werden pro Jahr 5.000 Meldungen möglicher verwahrloster bzw. vernachlässigter Kinder bearbeitet.
Im Vorjahr habe die Jugendwohlfahrt nach Auskunft des Büros des zuständigen Landesrates Josef Ackerl (S) bei 2.882 Kindern Erziehungsmaßnahmen angeboten. Bei 1.150 habe man die volle Erziehung” – etwa in einem Heim – übernommen.
Zu Problemen führe es beispielsweise, wenn allein erziehende Mütter nicht alle Aufgaben, die Kinder und Beruf mit sich bringen, vereinbaren können, so Ackerl-Sprecher Peter Binder auf APA-Anfrage. Teilweise werde der Haushalt zurückgestellt und – wie im aktuellen Fall – eher darauf geachtet, dass die Kleinen gesund sind, sagte Binder. Die Mutter habe sich sehr um die Kinder gekümmert und sie in der Schule und bei Freizeitaktivitäten unterstützt.
Ob ein Haushalt verwahrlost ist oder nicht, sei nicht einfach zu beurteilen, so Binder weiter. Oftmals seien es nur temporäre Zustände, die sich wieder geben würden. Die Grenze zur beginnenden Verwahrlosung sei fließend. Überdies sei jeder Fall anders geartet und müsse deshalb auch einzeln beurteilt werden. In regionalen Jugendwohlfahrtsanträgen werde festgestellt, ob eine Unterstützung durch eine pädagogische Haushaltshilfe geboten werden soll.
Das fehlende soziale Umfeld führe dazu, dass Vernachlässigung oder Verwahrlosung nicht gleich bemerkt werden, erklärte die Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft Oberösterreich, Christine Winkler-Kirchberger: Im Vergleich zu früher rutschen Familien heute viel leichter in die Isolation. Es sei wichtig, dass auch Kinder den Mut finden, sich rechtzeitig an Institutionen zu wenden, um Hilfe einzuholen.
Das ist unser Alltag
Verwahrlosungsfälle sind in Österreich keine Seltenheit, wie eine Umfrage der APA bei zuständigen Stellen ergab. Das ist unser Alltag, sagte zum Beispiel Ilga Hehle von der Jugendwohlfahrt der BH Bregenz in Vorarlberg. Nicht immer seien die Fälle so krass wie jene, die in den Medien auftauchten, aber das ist nur die Spitze des Eisbergs, zeigte sich Hehle überzeugt.
Jedes Jahr gebe es auch in Vorarlberg mehrere Fälle, bei denen die Behörde unmittelbar eingreife und die Kinder sofort aus der Familie nehme. Zunächst werde aber meist versucht, den betroffenen Familien auf freiwilliger Basis Hilfestellung zu bieten. Es ist oft schwierig, einzugrenzen, was noch tragbar ist, sagte Hehle. Diese Entscheidung falle dann im Team in der Behörde.
Wie oft niederösterreichische Behörden mit Fällen von verwahrlosten Haushalten, in denen Kinder leben, konfrontiert sind, lasse sich zahlenmäßig nicht festmachen, hieß es aus dem Büro der für Jugendwohlfahrt zuständigen Landesrätin Petra Bohuslav (V). Der Grund: Manchmal schreite das Gericht ein, in anderen Fällen seien es die Bezirksämter, vielfach auch direkt die Gemeinde. Das Wichtigste bei dieser Problematik sei die Sensibilisierung der Nachbarschaft: Diese dürfe sich nicht scheuen, auf Unregelmäßigkeiten aufmerksam zu machen.
In Graz seien schlechte Wohnverhältnisse weder im Vorjahr noch heuer ein Grund für eine Kindesabnahme gewesen, erklärte die Sprecherin des Amts für Jugend und Familie, Vasiliki Argyropoulos, der APA. Wenn sich eine solche Situation anbahne, würden die Sozialarbeiter alles daran setzen, um gemeinsam mit der Familie für optimale Verhältnisse zu sorgen.
Aus dem Büro des steirischen Soziallandesrats Kurt Flecker (S) hieß es, der bildlich dargestellte Fall von krätzebefallenen Kindern mit tränenden Augen in dreckiger Kleidung käme extrem selten vor. Seelische Defizite von Kindern und Jugendlichen durch Überforderung der Eltern seien allerdings nicht mehr so selten: Hier gebe es dann natürlich sofort verschiedene Hilfsangebote.
Wenn die Polizei im Zuge eines Einschreitens in ein völlig verwahrlostes Haus in Tirol kommt, leiten die Beamten dies an die zuständigen Behörden weiter. Das passiert immer wieder, erklärte die Polizei in Innsbruck der APA. Genaue Zahlen würden den Beamten nicht vorliegen, das wäre Kaffeesudlesen. Zwei bis drei Mal im Jahr müsste die Beamten der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zu Häusern, wo rund ums Haus viel Abfall liege. Aber das bezieht sich hauptsächlich um das Chaos rund ums Haus, hieß es gegenüber der APA.