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Kleines Blutvergießen vorm Parlament

Der Mann, aus dem da am Donnerstagvormittag vor dem Parlament das Blut tropfte, hatte ein bisserl was von Jesus.

Obwohl die Toga, die Waage und der architektonische Hintergrund eher an das alte Griechenland erinnerte. Aber das Alu-Schwert, dass er stolz in den Himmel reckte, hätte auch ein Kreuz sein können. Wie auch immer, der Aderlass war für einen ganz anderen Zweck bestimmt, für einen guten nämlich: Für die Tiere, und dafür, dass ihr Schutz in die Verfassung kommt.

Gegen 10.30 Uhr wurde der Demonstrant angezapft: Von links und von rechts näherten sich die Nadeln. Rechts legte die Krankenschwester einen Zugang für das Blut, links für das Kochsalz. „Am 29. Mai 2004 einstimmig im Parlament beschlossen. Am 9. August 2006 vor den Wahlen von den Regierungsparteien versprochen. Bis heute nicht eingehalten! Wann kommt Tierschutz endlich in die Verfassung?“, war auf den Flugzetteln zu lesen, die an die staunenden Passanten verteilt wurden.

„Hoffentlich fliegt er da nicht runter. Wir sollten ihn dann schon auffangen“, fand ein Zettel verteilender Kollege die Angelegenheit eigentlich ganz amüsant. Die Polizisten blieben im Hintergrund, betrachten das seltsame Geschehen mit leicht zur Seite geneigten Köpfen und verschränkten Armen. „Schau, da tropft ja des Blut raus“, tönte es aus der Zweierreihe einer vorbeimarschierenden Schulklasse. Auch sie wurden mit Flugzettel versorgt. „Das ist Kunst, oder?“ In der Zwischenzeit hatte das Blut zu rinnen begonnen. Über kleine Bächlein strömte es den Arm des Tierschützers hinunter – genau daneben. Der Wind, dieser Spielverderber, verteilte nämlich das flüssige Rot malerisch auf dem weißen Linnen, in die Waagschale floss nur hie und da rein zufällig ein Tropfen.

Die Augen wurden verbunden, die Toga flatterte, die an einem Schirmständer montierte Infusion hatte Hochbetrieb. „Wie geht’s dir?“ Der Leidende grinste. „Ned grinsen!“, gemahnte eine Aktivistin zu mehr Ernsthaftigkeit der männlichen Justitia. Nach etwa 15 Minuten verging dem griechischen Jesus ein bisserl das Lachen. „Wasser? Wasser!“ Hastig nuckelte er an einer Flasche, parallel maß die Krankenschwester den Blutdruck. „Sollma aufhören?“ „Es geht noch!“ „Hörma auf, oder?“ Wurde auch Zeit, denn von links näherte sich schon die nächste Demo, eine Schülergruppe mit Transparenten. Zurück blieben ein paar rot gefärbte Pflastersteine.

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