Staatsanwalt Georg Krakow bezeichnet sie als Schätzreise, in die neben der BAWAG-Spitze der Bankprüfer Robert Reiter aktiv eingebunden gewesen sei. Reiter habe die Bewertung mit für jedermann erkennbar untauglichen Mitteln zu rechtfertigen versucht und sich damit abgefunden, dass die Kunstsammlung in Wahrheit nicht dem angesetzten Wert entsprach.
Die Anklage skizziert die Besichtigung der Bilder durch Elsner & Co in einem Lager in der Nähe des Flughafens Zürich-Kloten als Wertprüfungsverfahren, das aber nicht der Ermittlung des tatsächlichen, sondern nur der Rechtfertigung des schon vorher feststehenden und tatsachenwidrigen Ergebnisses diente. Elsner hatte demnach dem BAWAG-Vorstand im Oktober 1998 erklärt, die Gemälde würden einen Wert von rund 700 Mio. US-Dollar verkörpern. Dies abzusegnen, war offensichtlich Zweck der Reise in die Schweiz, an der am 22. Jänner 1999 neben BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner und BAWAG-Prüfer Robert Reiter der BAWAG-Vorstand Johann Zwettler, der BAWAG-Generalsekretär Peter Nakowitz und der BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger teilnahmen.
Die Prüfung des Wertes des Flöttl-Vermögens geschah in sehr merkwürdiger Form, hält die Anklage fest. Weder sollte ein Auktionshaus Werte eruieren noch ein Kunstsachverständiger befasst werden noch wenigstens die Versicherungsunternehmen, welche die Bilder in Deckung genommen hatten, beispringen, denn in all diesen Fällen wäre hervorgekommen, dass der tatsächliche Wert nur einen Bruchteil der kolportierten Summe betrug. Denn wertvoll waren nur einige wenige Bilder, ist dem Schriftstück zu entnehmen.
Die BAWAG hatte es laut Anklage bitter nötig, recht hohe, ja höchstmögliche Wertansätze in den Vermögensaufstellungen der Stiftungen anzubringen, um die Gegenposition zu den Verlusten aufbauen und diese in der Bilanz verschleiern zu können. Vor diesem Hintergrund hätten sich Elsner, Zwettler, Nakowitz, Weninger und Reiter kurzer Hand selbst zu Kunstsachverständigen erklärt, witzelt der Staatsanwalt. Sie hätten sich die in einer Zollfreilagerhalle hinter Ytong-Wänden und Pressspanplatten-Türen aufbewahrten Kunstwerke zeigen lassen, diese bewundert, um anschließend zur freihändigen Festsetzung der ihnen beizumessenden Werte überzugehen, ohne dass dafür eine sachliche Grundlage existierte, so die Anklage.
Reiter und Nakowitz hätten zu diesem Zweck im Internet alibihalber nach vergleichbaren Bildern gesucht, deren Wert festgestellt und sich bei der vorgenommenen Bemessung daran orientiert.Die Übrigen vertrauten kunstsinnig auf die eigene Fantasie und richteten sich im Übrigen nach der Notwendigkeit, abstrus hohe Beträge anzusetzen, heißt es in der Anklage.
Als Beispiel wird unter anderem das Manet-Gemälde Grand Canal Venice angeführt, das die BAWAG mit 45 Mio. US-Dollar bewertete, während es für 10,5 Mio US-Dollar verkauft wurde. La Moisson en Provence von Vincent van Gogh hatte mit 57,5 Mio. US-Dollar Eingang in die Vermögensaufstellungen der BAWAG gefunden, war indes nur 10,3 Mio. US-Dollar und damit wenig mehr als ein Sechstel Wert, so die Anklage.
Ähnliche Differenzen unterstreicht der Staatsanwalt in Bezug auf Le Marin von Picasso, Camille Assise/Trouville von Monet und Moroccan Girl von Bravo, das um 15.000 US-Dollar einen Käufer fand, während es die BAWAG mit 1 Mio. US-Dollar angesetzt hatte. Conclusio des Staatsanwalts: Über den Wert der Werke bildender Kunst mag mancher irren. Niemand aber kann ohne bösen Vorsatz solch haarsträubende Beträge ernsthaft in Erwägung ziehen.