Experten warnten aber davor, die Freilassung vom Montagabend als Erfolg überzubewerten. Sie bedeute keineswegs, dass auch die anderen Südkoreaner schnell freikommen würden, hieß es – und dass die seit beinahe vier Wochen andauernde Geiselkrise bald enden könnte.
Taliban-Sprecher Qari Yousuf Ahmadi betonte, die Rebellen würden nun keine weiteren Geiseln mehr aus ihrer Gewalt entlassen, sollte ihre Forderung nach einem Gefangenentausch nicht erfüllt werden. Zwei Südkoreaner haben die Aufständischen bereits kaltblütig erschossen, um den Druck auf die Regierungen in Kabul und Seoul zu erhöhen. Dass die afghanische Regierung einlenken könnte, hat sie nicht erkennen lassen – im Gegenteil.
Nach einem entsprechenden Handel im Frühjahr, als die Taliban Gesinnungsgenossen gegen eine italienische Geisel freipressten, war der afghanische Präsident Hamid Karzai international heftig kritisiert worden. Nun sei der Basar eröffnet, hatte es geheißen, die Taliban seien zu weiteren Entführungen ermutigt. Nicht nur Karzai, auch Washington und der Internationalen Gemeinschaft liegt daran, den Rebellen nicht einen weiteren Erfolg dieser Art zuzugestehen. Gegen diese geballte Front dürfte sich die Regierung in Seoul bei aller Sorge um ihre Landsleute nur schwer durchsetzen können.
Innenpolitisch steht Karzai durch die Geiselnahme der Südkoreaner offenbar kaum unter Druck. In der Bevölkerung sei die Sympathie für die Entführten begrenzt, sagt ein Landeskenner. Das hänge zum einen damit zusammen, dass den Christen unterstellt werde, sie seien zum Missionieren nach Afghanistan gekommen. Zum anderen reagierten die Afghanen mit Unverständnis auf die unglaubliche Leichtsinnigkeit, mit der die Koreaner ihr eigenes Leben in Gefahr brachten. Sie waren ohne Geleitschutz in einer der gefährlichsten Gegenden Afghanistans unterwegs, als sie am 19. Juli verschleppt wurden.
Die zunehmend verzweifelt wirkende südkoreanische Regierung hat bereits mehrfach mitgeteilt, dass ihr bei der Frage nach einer Freilassung inhaftierter Taliban-Kämpfer die Hände gebunden sind. Als wahrscheinlich gilt, dass Seoul versucht, die Aufständischen vor allem mit Lösegeld von ihrer Forderung abzubringen. Nach außen hin verkünden die Taliban immer wieder, dass es ihnen bei ihren Geiselnahmen nicht um materielle, sondern um politische Ziele geht. Das gilt aber als wenig glaubhaft, die Rebellen sollen auch in der Vergangenheit Lösegelder kassiert haben. Trotzdem ist den Unterhändlern aus Seoul bisher kein Durchbruch gelungen.
Schwierig gestalten sich die Verhandlungen nicht nur im Falle der Südkoreaner, sondern auch beim entführten deutschen Bauunternehmer Rudolf B. In den wirren Strukturen Afghanistans ist es oft schwer, überhaupt den richtigen Ansprechpartner zu finden, der tatsächlich über eine Freilassung von Geiseln entscheiden kann. Mancher Vermittler, der sich anbietet, will nur für seine vermeintlichen Dienste bezahlt werden. An solche Afghanen, so heißt es, seien auch die koreanischen Unterhändler schon geraten.
Ein Experte, der mit dem Fall befasst ist, kritisiert die Hilflosigkeit der südkoreanischen Unterhändler. Diese hätten die Nutzung guter Kontakte nach Pakistan abgelehnt, wo die Entscheidungen über das Schicksal der Geiseln offenbar vom Taliban-Führungsrat getroffen würden. Stattdessen verhandelten die Koreaner mit der zweiten Garde der Aufständischen – die sicher nicht die Entscheidungsträger seien.
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Telefonische Verhandlungen über Schicksal koreanischer Geiseln
Nach der Freilassung zweier Geiseln haben die Taliban am Dienstag telefonisch mit Vertretern der südkoreanischen Regierung über das Schicksal der 19 weiteren Verschleppten verhandelt. Direkte Gespräche seien vorerst nicht mehr geplant, erklärte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz.
Das IKRK stehe weiterhin als Vermittler zur Verfügung, sagte Sprecher Franz Rauchenstein in Ghazni. Er forderte beide Seiten auf, im Interesse der seit dreieinhalb Wochen verschleppten Christen rasch zu einer Einigung zu kommen.
Die Taliban hatten die zwei Südkoreanerinnen am Montag dem IKRK übergeben. Den Frauen gehe es gut und sie sollten bald in ihre Heimat geflogen werden, teilte ein Mitarbeiter der südkoreanischen Botschaft mit. Über das Schicksal der verbliebenen Geiseln wollen die Taliban nach dem Ende der Verhandlungen mit Seoul entscheiden.
Sprecher Kari Yousuf Ahmadi bekräftigte am Montag, den Verschleppten werde nichts geschehen, solange die am Freitag begonnen Gespräche andauerten. Die Aufständischen wollen Gesinnungsgenossen freipressen, die in afghanischen Gefängnissen und im US-Stützpunkt in Bagram sitzen, und haben bereits zwei männliche Geiseln erschossen.