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Marcos Schicksal bleibt ungewiss

©AP
Am 12. April 2007 klicken in einem Clubhotel in der südtürkischen Küstenstadt Side die Handschellen. Ein Bursche aus Deutschland wird abgeführt, verhört und ins Gefängnis nach Antalya gebracht.

Für den 17-jährigen Marco aus Uelzen und seine Eltern nimmt der Osterurlaub ein jähes Ende. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft ist massiv: Marco soll die 13 Jahre alte Charlotte aus England sexuell missbraucht haben. Ihre Mutter hat Marco angezeigt. Erst sieht alles nach einem Missverständnis aus. Marco bestreitet die Vorwürfe. Doch Gegenseite und Gericht bleiben hart. An diesem Freitag ist Marco bereits ein halbes Jahr hinter Gittern, und doch ist sein Schicksal so ungewiss wie am ersten Tag der Haft.

Den jüngsten Rückschlag mussten Marco und seine Familie am Montag mit der Ablehnung einer Haftbeschwerde hinnehmen. Zuvor waren alle Anträge, die Untersuchungshaft auszusetzen, zurückgewiesen worden. Bei der Beschwerde hatten Marcos Eltern und seine Verteidiger zumindest auf eine ausführliche Begründung für die Fortdauer der Untersuchungshaft gehofft. Doch sie wurden enttäuscht. Die Richter blieben bei der „immer gleichen Leier“, dem „Dreizeiler“, wie Marcos Rechtsanwalt Michael Nagel den knappen Verweis der Richter auf die Schwere des Tatvorwurfs und das Alter des Mädchens nennt.

Nagel hält es für unvereinbar mit geltendem türkischen Recht, dass das Gericht keine abwägende Begründung abgibt mit Punkten, die auch für Marco sprechen. Noch steht nicht einmal Aussage gegen Aussage, weil Charlottes Schilderung der Ereignisse den Richtern in der Türkei noch nicht vorliegt. Der türkische Rechtsanwalt des Mädchens wird allerdings nicht müde, Marco sogar Vergewaltigung vorzuwerfen.

Dagegen sprechen Zeugenaussagen. Ein Bekannter von Charlottes Schwester hat zugunsten Marcos ausgesagt. Der Arzt, der Charlotte untersuchte, stellte fest, dass es keinen Geschlechtsverkehr gegeben hat. Nach Marcos Aussage ist es in Charlottes Hotelzimmer, in das die beiden nach einem Discobesuch zusammen mit anderen Jugendlichen gegangen waren, auf Initiative des Mädchens nur zu Zärtlichkeiten gekommen. Die Richter aber lassen den Bericht des Arztes von der Gerichtsmedizin neu bewerten.

Bei einer Verurteilung wegen sexuellen Kindesmissbrauchs muss Marco im schlimmsten Fall für fünf Jahre und vier Monate ins Gefängnis. Ist das Gericht davon überzeugt, dass es zum sexuellen Verkehr gekommen ist, aber der Aussage Marcos glaubt, die Britin habe sich als 15-Jährige ausgegeben, drohen ihm zwischen 4 und 16 Monate Gefängnis.

Lange Zeit hatten sich Marcos Anwälte in Diplomatie geübt, waren darauf bedacht, weder die Türkei noch das Gericht zu kritisieren. Von dieser Linie gibt es nun eine Abkehr. „Der Eindruck, dass das Gericht befangen ist, verstärkt sich“, sagt Anwalt Nagel. Dass die nächste Verhandlung am 26. Oktober mit einem Befangenheitsantrag beginnt, wird immer wahrscheinlicher.

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