Das Schwurgericht verhängte damit ein deutlich unter der gesetzlichen Mindeststrafe von zehn Jahren angesiedeltes Strafausmaß, was mit den besonderen Umständen des Falls begründet wurde.
Der wegen erpresserischer Entführung, Freiheitsentziehung und Nötigung schuldig erkannte Geiselnehmer nahm die Strafe an. Staatsanwältin Gabriele Mucha gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.
Das ist so ein spezieller Fall, dass bei Ihnen die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung Platz greifen konnte, stellte Richterin Minou Factor in der Urteilsbegründung fest. Dem Buchstaben des Gesetzes nach handle es sich zwar um Hardcore-Kriminalität, dem Angeklagten sei es allerdings primär darum gegangen, irgendwie Aufsehen zu erregen, führte Factor aus. Er habe kein Lösegeld verlangt, sondern Forderungen gestellt, die sicher marginal sind.
Der Geiselnehmer hatte explizit Getränke, Zigaretten, ein Gespräch mit seinem Bruder sowie psychologischen Beistand gefordert, nachdem er die Bankangestellten in seine Gewalt gebracht hatte und die Polizei mit ihm um deren Freilassung verhandelte. Vor Gericht gab der 40-Jährige nun an, er habe in der Bank Hilfe gesucht und mit jemandem reden wollen. Dass er sich dazu einer auf den ersten Blick täuschend echt aussehenden Schusswaffe bediente, erklärte er mit:
Ich wollte, dass mi wer ernst nimmt.
Vor zehn Jahren war der Maler und Anstreicher von seiner Freundin verlassen worden, was er offenbar bis zum heutigen Tag nicht so recht verkraftet hat. Er sei immer mehr in Depressionen gestürzt, seine auf Fußballwetten konzentrierte Spielsucht habe sich verstärkt, erzählte er dem Schwurgericht. 2005 habe er zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Im Otto-Wagner-Spital sei er nach dem zweiten Selbstmordversuch drei oder vier Stunden behandelt worden. Da hätte er erkannt, dass fachärztlicher Beistand nicht hilfreich sei: Du kommst hin, der Arzt hat fünf Minuten Zeit, des is a ka Lösung.
Nach einem allein verbrachten Weihnachtsfest und einem Jahreswechsel in Moll habe ihn endgültig der Lebensmut verlassen, berichtete der Angeklagte. Er sei daher entschlossen gewesen, mit einem Stanleymesser in seinem Keller Schluss zu machen. Zuvor traf er sich allerdings noch mit seinem Bruder – seiner wesentlichen Bezugsperson – in einem Lokal auf mehrere Bier und einige Runden Schnaps, nachdem er sein gesamtes noch vorhandenes Vermögen von rund 750 Euro behoben hatte.
Anschließend begab sich der 40-Jährige in ein Bordell, wo er das restliche Geld ausgab: Für mi war das a Abschied. Gegen 10.00 Uhr machte er sich nach einer schlaflosen Nacht auf den Heimweg, stärkte sich in einem Schnellimbiss-Restaurant und kam dann an der BAWAG-Filiale vorbei, die Schauplatz des weiteren Geschehens werden sollte.
Er habe damit Eindruck schinden wollen, weil reden kann i net, erläuterte der Angeklagte. Die Bankangestellten habe er gleich wissen lassen, dass er nur mit ihnen reden wolle und dass ihnen nichts passiere, betonte er. Dass sich diese dennoch fürchteten, war ihm klar. A Angst habens sicher ghabt, gell, räumte er auf eine entsprechende Frage der Richterin ein.
Aus seiner Sicht habe sein Vorgehen Sinn gemacht: Für mi wars okay, so wie i mi unterhalten hab. Staatsanwältin Gabriele Mucha sah das anders: Es hat keine Gruppentherapie auf freiwilliger Basis stattgefunden! Man kann das nicht verharmlosen! Das war kein operettenhafter Auftritt des Angeklagten! Die Geiselnahme habe vielmehr zu einem gigantischen Polizeieinsatz geführt, mehrfach hätten sich während der rund fünf Stunden, die diese andauerte, brenzlige Situationen ergeben.