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Deutscher Vizekanzler Müntefering tritt zurück

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Der deutsche Bundesarbeitsminister und Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) zieht sich nach zwei Jahren in der großen Koalition von seinen Regierungsämtern zurück: Er werde aus persönlichen Gründen in der kommenden Woche zurücktreten, kündigte Müntefering am Dienstag in Berlin an.
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Außenminister Steinmeier wird neuer deutscher Vizekanzler

Als Grund nannte er die Krebserkrankung seiner Frau, um die er sich nach einer erneuten Operation intensiv kümmern wolle.

Nachfolger als Arbeitsminister wird der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Olaf Scholz, neuer Vizekanzler wird Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Bei SPD und Union wurde Münteferings Entscheidung mit großem Bedauern aufgenommen. Müntefering wies ausdrücklich Spekulationen zurück, sein Rückzug könne insbesondere nach dem Scheitern des von der SPD geforderten Mindestlohns auch politische Gründe haben. „Es ist ausschließlich dieser private Grund“, hob er mit Blick auf seine Frau hervor. Gleichwohl übte er erneut Kritik an dem Widerstand der Union gegen den Post-Mindestlohn.

„Die Koalition bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück“, sagte er. Von seinen Regierungsämtern wird er nach eigenen Angaben am 21. November zurücktreten. Sein Bundestagsmandat will er aber behalten und sich auch weiter in der SPD engagieren. Er verwies dabei insbesondere auf den 2010 anstehenden Landtagswahlkampf in seinem Heimatland Nordrhein-Westfalen.

Müntefering war von 2002 bis 2005 SPD-Fraktionschef und von 2004 bis 2005 Parteichef. Seit dem 22. November 2005 war Müntefering Vizekanzler und Bundesminister für Arbeit und Soziales. Der designierte Arbeitsminister Scholz ist seit Oktober 2005 Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD. Von Oktober 2002 bis 2004 war er unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) Generalsekretär. Steinmeier, der erst kürzlich beim SPD-Parteitag in Hamburg zum Parteivize gewählt worden war, ist seit November 2005 Außenminister. Zuvor war er unter Schröder von 1999 bis 2005 Chef des Bundeskanzleramtes. Nachfolger von Scholz als SPD-Geschäftsführer im Bundestag wird der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss zum Anti-Terror-Kampf, Thomas Oppermann.

SPD-Chef Kurt Beck bedauerte Münteferings Schritt und verteidigte zugleich seine Entscheidung, selbst nicht ins Kabinett zu gehen. Dass er nicht in die Regierung eintrete, schaffe „größere Spielräume und bessere Möglichkeiten, sozialdemokratische Politik zu entwickeln und durchzusetzen“, sagte der rheinland-pfälzische Ministerpräsident. Zugleich verwies er darauf, dass die SPD durch die rasche Nachfolge-Regelung ihre Handlungsfähigkeit und Einmütigkeit unter Beweis gestellt habe. „Ich bin sicher, dass wir auf dieser Grundlage die Arbeit in der Koalition erfolgreich fortsetzen können.“

„Wir müssen uns gewaltig anstrengen, dass wir das ausgleichen“, sagte SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler dem Nachrichtensender N24 zu Münteferings Rückzug. „Er hinterlässt eine Lücke, aber ich finde, die Liebe zu seiner Frau hat jetzt mehr Wert als alle Politik.“ Die nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Hannelore Kraft erklärte: „Der Rückzug von Franz Müntefering bedeutet einen großen Verlust für die SPD in Nordrhein-Westfalen und im Bund.“

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla bedauerte den Rücktritt Münteferings. „Müntefering ist bis zum heutigen Tag eine wichtige Stütze für die erfolgreiche Arbeit der großen Koalition“, erklärte er. Es liege nun an der SPD, die entstandene Lücke zu schließen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) bezeichnete Müntefering als „Eckpfeiler der Koalition“. Auch CSU-Chef Erwin Huber erklärte, Müntefering sei immer ein „verlässlicher Partner gewesen“.

FDP-Chef Guido Westerwelle äußerte die Vermutung, hinter Münteferings Rücktritt steckten auch politische Gründe. Die Entscheidung sei „auch genährt durch die politischen Umstände“, erklärte er. „Denn es ist offensichtlich, dass die Koalition in ihrem Herbst angekommen ist.“ Grünen-Chefin Claudia Roth bezeugte ihren „hohen Respekt“ vor Müntefering im Nachrichtensender N24.

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