174 Bürgermeister von Gemeinden der Lombardei, Piemont und Veneto, die zu Österreich, der Schweiz, sowie zu den Regionen mit Sonderstatut Aostatal, Trentino-Südtirol und Friaul grenzen, haben in Mailand gegen die Regierung in Rom demonstriert. Aus Protest schickten sie ihre rot-weiß-grüne Schärpe, Symbol ihres Amtes, an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano zurück. Die Bürgermeister verlangen die Einführung des Steuerföderalismus.
Die Gemeinden, die an Regionen mit Sonderstatut, sowie an Österreich und der Schweiz grenzen, fühlen sich benachteiligt. Die Autonomieregelung sieht vor, dass die Regionen mit Sonderstatut 90 Prozent ihres Steueraufkommens von Rom wieder zurückerhalten. Die hohen Transferzahlungen an den Mezzogiorno, den armen Süden Italiens, die andere norditalienische Provinzen leisten müssen, fallen bei ihnen weitgehend weg. Die fünf Regionen mit Sonderstatut (neben Friaul, Trentino-Südtirol und Aostatal auch Sardinien und Sizilien) sind daher wesentlich reicher als die anderen. Viele Gemeinden, die an die Regionen mit Sonderstatut grenzen, sterben aus, weil die Bürger in das benachbarte Trentino-Südtirol oder ins Friaul auswandern. Immer mehr Unternehmen in den Grenzregionen überlegen, sich in Österreich niederzulassen, da der Steuerdruck dort niedriger ist.
Die öffentlichen Finanzierungen, die wir aus Rom erhalten, werden wegen der strengen Sparmaßnahmen der Regierung in Rom immer geringer, die Ausgaben für die Dienstleistungen steigen. Das Resultat ist, dass viele junge Paare in die Regionen mit Sonderstatut auswandern, wo sie mehr finanzielle Unterstützung für die Gründung einer Familie erhalten. Auch die Unternehmen erhalten dort mehr Förderungen, sagte Marco Scalvini, Bürgermeister der Gemeinde Bagolino in der lombardischen Provinz Brescia und Präsident des Verbands der Grenzgemeinden, die sich für einen verstärkten Föderalismus in Italien einsetzt.
Ich bin Bürgermeister einer Gemeinde, die ausstirbt, weil immer mehr Menschen auswandern. 96 Prozent der Bürger haben sich für ein Referendum ausgesprochen, mit dem man unsere Angliederung an Trentino Südtirol fordert, sagte Armando Scalet, Bürgermeister der Ortschaft Sovramonte in der benachteiligten Bergprovinz Belluno in der Region Veneto. Die Zentralregierung stellt sich vor den Bedürfnissen der kleineren Gemeinden taub, betonte Scalet.
Für einen Eklat sorgte dieser Tage die an Österreich grenzende Ortschaft San Pietro di Cadore in der Provinz Belluno, die überhaupt eine Angliederung an Österreich beantragen will. Die Leute haben es satt, wir wollen nicht nur vom Veneto, sondern von ganz Italien weg, sagte der Bürgermeister. Silvano Pontil Scala, Bürgermeister der 1.800-Seelen-Gemeinde, die an der Grenze zu Tirol liegt. Mehrere Gemeinden in der Provinz Belluno haben einen Antrag für ein Referendum eingereicht, um sich der autonomen Provinz Südtirol oder der Region mit Sonderstatut Friaul-Julisch Venetien anschließen zu können.