AA

Diplomatischer Kleinkrieg um das British Council

Die weltweit geschätzte Kulturinstitution British Council ist zwischen die Fronten eines seit Monaten schwelenden diplomatischen Kleinkriegs zwischen Moskau und London geraten.

Seit der russische Ex-Geheimdienstler Alexander Litwinenko 2006 in London ermordet wurde, rutschen die russisch-britischen Beziehungen auf immer neue Tiefpunkte.

Beide Länder wiesen gegenseitig Diplomaten aus, verschärften Visavorschriften und legten ihre Zusammenarbeit im Anti-Terror-Kampf auf Eis. Moskau fühlte sich provoziert von der Forderung Londons, Russland möge seine Verfassung ändern, um die Auslieferung des Mordverdächtigen Andrej Lugowoi zu ermöglichen.

Zu Jahresbeginn sollten auf Anordnung Moskaus die Regionalbüros des British Council in Russland wegen juristischer Formalitäten schließen. Als die Briten dies aber verweigerten, sah sich der Kreml erneut provoziert. In Russland haben Behauptungen Hochkonjunktur, der vom Außenministerium in London finanzierte Council sei von britischen Spionen durchsetzt. Der britische Außenminister David Miliband warnt, den Council zur “Geisel” eines diplomatischen Streits zu machen und mahnt zur Fortsetzung des Kulturaustauschs.

Offiziell wirft Moskau dem Außenministerium in London vor, die Büros ohne Rechtsgrundlage und ohne Zahlung von Steuern zu betreiben. “Der Westen will uns immer erklären, was Demokratie ist, was Gesetze bedeuten, aber selbst meint er, sich unter dem Deckmantel der Diplomatie nicht an Vorschriften halten zu müssen”, schimpft der Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Sergej Mironow.

Beobachter der Beziehungen zwischen Russland und Europa befürchten, dass der Streit die Aushandlung eines neuen EU-Partnerschaftsabkommens behindern könnte. Gerade haben Polen und Russland ihren Fleischstreit beigelegt, nachdem Warschau die Verhandlungen wegen des russischen Importverbots mit einem Veto lange Zeit verhindert hatte. Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung des Streits, wie sie der Russland-Direktor des Council, James Kennedy, hegte, rücken zunehmend in die Ferne. Eine bizarre Wendung nahm der Streit mit der vorübergehenden Festnahme des Leiters der St. Petersburger Filiale, Stephen Kinnock, der am Dienstagabend angeblich unter Alkohol falsch in eine Einbahnstraße eingebogen war. Vor dem Hintergrund, dass dessen Vater Neil Kinnock, der frühere Labour-Chef, Präsident des British Council ist, glaubten viele nicht an einen Zufall für die Polizeikontrolle.

Viele Menschen in Russland schütteln den Kopf über diesen Kulturstreit. Der British Council leiste seit Jahren wichtige Bildungsarbeit in Russland, betont der Menschenrechtler Lew Ponomarew. “Das ist doch ausschließlich humanitäre und Bildungsarbeit”, meint Ponomarew.

Mehr als eine halbe Million Menschen in Russland haben in den vergangenen Jahren an den Projekten der Bildungseinrichtung teilgenommen. Sie besuchten Ausstellungen, Theateraufführungen oder das britische Filmfestival in Moskau. “Bei aller Notwendigkeit entschiedener Schritte gegen London ist es offenbar doch ein Fehler, den British Council ins Visier zu nehmen”, sagte sogar der kremlnahe Politologe Sergej Markow. “Denn diese Organisation hat Russland mehr genützt als dem Vereinigten Königreich”, fügte Markow hinzu.

  • VIENNA.AT
  • Politik
  • Diplomatischer Kleinkrieg um das British Council
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen