Gegen Neuwahlen sprachen sich praktisch alle befragten Regierungspolitiker aus, und auch aus den Ländern kommt großteils Skepsis gegenüber einer Verkürzung der Legislaturperiode.
In der Sache hat Gusenbauer zumindest bei den Seinen gepunktet. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (S) meinte etwa, dass er das Vorziehen der Reform ja schon seit Monaten gefordert habe. Auch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller zeigte sich erfreut. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves bemängelte lediglich, dass es “vielleicht gescheit” gewesen wäre, den Vorstoß bereits vor Weihnachten zu wagen.
Zumindest für die Lösung des “Gusi-Hunderter”-Problems, den die ÖVP unverändert ablehnt, hat Voves eine Idee. Er möchte den Vorschlag des Kanzlers dann in die Steuerreform einbringen. Ganz auf Linie zeigte sich diesmal auch Regierungskoordinator Werner Faymann (S). Sowohl Steuerreform als auch Entlastung des Gesundheitssystems seien unverzichtbar. Frauenministerin Doris Bures regte beim Koalitionspartner an, “aus dem Schmollwinkel herauszukommen”. Sozialminister Erwin Buchinger bekundete, dass Neuwahlen kein Thema seien.
Seltene Einigkeit herrschte damit zwischen Buchinger und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V). “Belästigen wir die Wähler nicht mit irgendwelchen Neuwahlspekulationen”, meinte er bei einem Auftritt in Brüssel, um aber sogleich inhaltlich dem Bundeskanzler eine Absage zu erteilen. Der Fahrplan für die Steuerreform sei gerade erst vor einigen Wochen mit dem Koalitionspartner SPÖ besprochen worden. Verärgert zeigte sich Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky (V). Sie sieht den Kanzler als “Sprengmeister der Nation”.
Besorgnis kam auch aus den VP-regierten Ländern. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (V) hatte den Eindruck, “dass Gusenbauer ein Getriebener der Radikalen ist.” Deutlicher als andere stellte Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber (V) den Sinn einer Fortführung der Großen Koalition infrage: “Wenn die SPÖ die Partnerschaft nicht aktiv mitträgt, dann funktioniert das nicht. Selbstverständlich ist die Koalition in Gefahr.” VP-Klubchef Wolfgang Schüssel betonte, dass nur seitens der SPÖ eskaliert werde.
Die Opposition versucht indes, den Streit in der Koalition zu nützen. BZÖ-Chef Peter Westenthaler kündigte für die kommende Nationalratssondersitzung einen Antrag auf eine vorgezogene Steuerreform an, der aber von SPÖ-Klubobmann Josef Cap zurückgewiesen wurde. Man befinde sich in einer “funktionierenden Koalition” mit der ÖVP. Die FPÖ hätte wohl mitgemacht, sie will eine Steuerreform sofort, lehnt Neuwahlen im Gegensatz zum BZÖ aber ab. Das Bündnis hat ja bereits einen Neuwahlantrag von vor dem Sommer im Verfassungsausschuss liegen, mit dessen Hilfe übrigens auch bequem noch vor der Fußball-Europameisterschaft gewählt werden könnte.
Klar ist nach einer Sitzung der Präsidiale wenigstens, wie der weitere parlamentarische Fahrplan aussieht. Am Dienstag geht es im Innenausschuss nochmals um die Vorwürfe des früheren Bundeskriminalamtschefs Herwig Haidinger, danach will die SPÖ entscheiden, wie sie zu einem U-Ausschuss in der Causa steht. Der Justizausschuss zur selben Angelegenheit steigt am Freitag, ehe am Montag dann nun wirklich die von den Grünen seit langem angekündigte Sondersitzung des Nationalrats stattfindet. In deren Rahmen könnte dann auch tatsächlich der Untersuchungsausschuss eingesetzt werden. SP-Klubchef Josef Cap bestätigte am Montag nochmals, dass alles in diese Richtung gehe.