U-Ausschuss beschließt Monsterprogramm
Gleich zwei Verfahrensanwälte sollen über die Einhaltung der Spielregeln wachen. Ausschuss-Vorsitzender Peter Fichtenbauer (F) nannte das Programm schlicht “gewaltig”. Abgesegnet wurde es mit den Stimmen von SPÖ, Grünen, FPÖ und BZÖ. Die ÖVP stimmte trotz Zugeständnissen der anderen Fraktionen dagegen.
Die Ladungsliste liest sich wie ein Who is Who von Politik und Verwaltung: Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) und seine Vorgänger Wolfgang Schüssel (V), Viktor Klima (S) und Franz Vranitzky (S), Vizekanzler Wilhelm Molterer (V), Innenminister Günther Platter (V), sein Vorgänger Ernst Strasser (V), Justizministerin Maria Berger (S), die früheren Minister Karl-Heinz Grasser (V) und Karin Gastinger, EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner (V) sowie zahlreiche weitere Politiker, Kabinetts-Mitarbeiter und Spitzenbeamte sollen aussagen. Dazu noch Privatpersonen wie der einflussreiche Industrielle Martin Schlaff.
Entsprechend lang ist auch die Liste der Themen, die sich der Ausschuss vorgenommen hat: An erster Stelle steht die Aufklärung der vom früheren Kripo-Chef Herwig Haidinger losgetretenen Vorwürfe um angeblichen Machtmissbrauch der ÖVP im Innenministerium (sie soll u.a. versucht haben, von der Polizei Wahlkampfmunition gegen die SPÖ zu erhalten und Ermittlungspannen im Entführungsfall Kampusch unter der Decke zu halten). Nachgegangen wird aber auch Parteibuchwirtschaft bei Postenbesetzungen, der Tätigkeit des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA), den Parteienfinanzierungs-Vorwürfen gegen die SPÖ im Zusammenhang mit der BAWAG-Affäre, der “Visa-Affäre” sowie Polit-Interventionen im Zusammenhang mit einem Steyr-Waffendeal im Iran und mit öffentlichen Auftragsvergaben.
Insgesamt hat der Ausschuss acht “Beweisthemen” abzuarbeiten. Vorsitzender Peter Fichtenbauer rechnet mit zumindest 40 achtstündigen Sitzungen, was rund sechs Monate dauern könnte. Eine 61 Punkte umfassende Liste mit Akten-Anforderungen wurde am Freitag an die fünf involvierten Ministerien (Inneres, Justiz, Finanzen, Äußeres und Verteidigung) geschickt. Über Ostern sollen die ersten Unterlagen studiert werden, die ersten konkreten Zeugenladungen kann es dann bei der nächsten Sitzung am 2. April geben. Über die Einhaltung der Spielregeln wachen sollen gleich zwei Verfahrensanwälte, die ehemaligen Generalprokuratoren Gottfried Strasser und Walter Presslauer.
Dem Beschluss war ein vierstündiges Tauziehen um Beweisanträge und Auskunftspersonen vorangegangen. Die ÖVP wollte rund 100 der 250 Zeugenladungen streichen. ÖVP-Fraktionschef Helmut Kukacka hatte schon vor der Sitzung von einem “Kraut und Rüben-Ausschuss” gesprochen und beklagte im Anschluss, dass vorwiegend ÖVP-nahe Zeugen geladen werden sollen. Das Nein seiner Fraktion begründete er mit Datenschutzbedenken. Sein Wunsch, den Beschluss zu vertagen und den Beweisantrag von den Verfahrensanwälten prüfen zu lassen, wurde jedoch abgelehnt – allerdings setzten die anderen Fraktionen einige von der ÖVP gewünschte Zeugen auf die Liste, die Parteienfinanzierungs-Vorwürfe gegen die SPÖ wurden im Zeitplan vorgezogen.
Der Forderung Kukackas, die Parteienfinanzierungs-Vorwürfe gegen die SPÖ gemeinsam mit den Machtmissbrauchs-Vorwürfen gegen die ÖVP zu verhandeln, konnte man laut Ausschuss-Vorsitzendem Fichtenbauer aber nicht nachkommen. “Um das Gleichgewicht des Schreckens herzustellen, kann nicht die innewohnende Logik des Untersuchungsausschusses gestört werden”, argumentierte der FP-Justizsprecher. Die ÖVP sei nun einmal von den Vorwürfen “am meisten betroffen”. Es werde aber “keine Polit-Show” geben, versicherte Fichtenbauer.
Die anderen Fraktionen fanden schärfere Worte für das Verhalten der ÖVP: BZÖ-Obmann Peter Westenthaler sprach von “Obstruktion” und bezeichnete Kukacka als “Dr. No”. “Im Gegensatz dazu wird das BZÖ für volle Aufklärung im Sinne des Prüfauftrages sorgen”, so Westenthaler. SP-Fraktionschef Rudolf Parnigoni kritisierte, die ÖVP “hat sich einer Mitarbeit entzogen”. Und Grünen-Sicherheitssprecher Peter Pilz sieht im Nein der Volkspartei den Beweis, dass SPÖ und ÖVP nicht miteinander können.