Deutsche Forscher äußerten sich dagegen skeptisch. Das Verfahren sei weder neu noch sinnvoll, urteilte der Bonner Stammzellforscher Prof. Oliver Brüstle. Wissenschafter aus den USA, Südkorea und China hatten in den vergangen Jahren über ähnliche Experimente berichtet. In Deutschland ist das Verfahren verboten.
Die nun erzeugten Embryonen aus dem Erbgut menschlicher Hautzellen und Eizellen von Kühen wurden nach Angaben der Universität nach drei Tagen zerstört. Für die Experimente unter Leitung des Stammzellforschers Lyle Armstrong hatte die britische Embryologie- Behörde HFA eine Sondergenehmigung erteilt.
Die Wissenschafter wollen feststellen, ob sich Chimären- Stammzellen für die Behandlung schwerer Krankheiten nutzbar machen lassen. Tierische Eizellen stünden im Gegensatz zu menschlichen unbegrenzt zur Verfügung, sagte John Burn, der Leiter des Instituts für Humangenetik der Universität von Newcastle. “Menschliche Eizellen sind sehr wertvoll und entsprechend schwer zu bekommen. So kamen wir auf die Idee, den Mangel durch die Verwendung von Kuh-Eizellen zu überwinden.”
Brüstle, Direktor des Instituts für Rekonstruktive Neurobiologie der Universität Bonn verwies darauf, dass die britische Arbeit noch gar nicht in einem Fachjournal veröffentlicht und damit nicht wissenschaftlich geprüft sei. “Die Tatsache, dass die Arbeit jetzt schon in den Medien aufgegriffen wird, zeigt, wie überhitzt die Debatte ist”, sagte er. Angesichts der Tatsache, dass die Rückprogrammierung von Hautzellen zu stammzellähnlichen Zellen bereits wesentlich besser erforscht sei, müsste auch die Sinnhaftigkeit derartiger Experimente hinterfragt werden.
Auch für den Direktor des Instituts für Neurophysiologie der Universität Köln, Prof. Jürgen Hescheler, ist die Herstellung solcher Mischembryonen keine Alternative. Sein Team arbeite mit zurückprogrammierten Zellen (iPS-Zellen), “weil die vielversprechend sind”. Prof. Wolfgang-Michael Franz vom Klinikum Großhadern der Universität München kritisierte die britische Arbeit. “Ich bin entsetzt darüber. Ich sehe in den Versuchen keinerlei Sinn. Diese Arbeit kann ich ethisch und moralisch nicht mehr nachvollziehen und habe immer gesagt, dass wir solche Versuche nicht brauchen”, sagte der in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Diese Zellen könnten angesichts der tierischen Verunreinigung zudem nicht in der Medizin eingesetzt werden.
Das neue Experiment fachte die Diskussion über ein von der britischen Regierung geplantes Gesetz zur Stammzellforschung noch weiter an. Mit dem Gesetz, über das frühestens im Mai abgestimmt wird, soll auch die Erzeugung von Chimären-Embryonen zu Forschungszwecken generell erlaubt und geregelt werden. Gegen dieses Vorhaben protestierte neben anderen der Kardinal der Schottischen Katholischen Kirche Keith O’Brien. Es stelle eine “monströse Attacke auf die Menschenrechte, auf die menschliche Würde und auf das menschliche Leben dar”.
Der Labour-Abgeordnete und Vorsitzende der parteiübergreifenden parlamentarischen Gruppe “Pro Life”, Jom Dobbin, erklärte: “Die bewusste Verwischung der Grenzen zwischen Menschen und anderen Spezies ist ein Anschlag auf das Herzstück dessen, was uns zu Menschen macht.”
Dagegen erklärte Professor Burn, es könne keine Rede davon sein, dass die Wissenschafter “Monster schaffen”. Wer sich mit der Problematik genauer beschäftige, erkenne rasch, dass sie “kein neues ethisches Problem aufwirft”. Armstrong hatte vor Beginn des Experiments gesagt, es sei “ganz wichtig zu wissen, dass wir dies ausschließlich für Forschungszwecke nutzen werden”.
Die nun geschaffenen Zellhybriden bestanden zum weitaus größten Teil aus menschlichem genetischen Material und nur zu 0,1 Prozent aus tierischem. Nach den Auflagen der Genehmigungsbehörde HFA müssen solche Embryonen spätestens nach 14 Tagen zerstört werden. Sie wären dann nicht größer als ein Stecknadelkopf.
Nachdem die jetzt erzeugten Chimären-Embryonen drei Tage am Leben gehalten wurden, wollen die Forscher in Newcastle in einem weiteren Versuch solche Hybriden zunächst sechs Tage leben lassen. Sollten auch diese Versuche erfolgreich verlaufen, könnten nach den Vorstellungen der Forscher auch Embryonen aus Mensch und Kaninchen, Ziege und anderen Tieren entstehen. Ähnliche Experimente wollen auch Stammzellforscher am King’s College in London unternehmen. Auch sie haben dafür bereits eine Genehmigung der Behörden erhalten.