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Weggelegt und abgegeben: Findelkinder

Werden Kinder übergeben - entweder durch eine anonyme Geburt, über ein Babynest oder über eine Weglegung - sind es nach dem Paragrafen 211 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) Findelkinder.

“Das ist eine Spezialität, die normalerweise in einer Adoption endet”, so Reinfried Gänger, Leiter der Jugendabteilung des Landes Niederösterreich. Auch jene drei Kinder, die im aktuellen Fall in Amstetten von den Großeltern adoptiert bzw. in Pflege genommen worden sind, fallen in diesen Bereich.

Bei abgegebenen Kindern wird davon ausgegangen, dass die Mutter dessen bestmögliche weitere Betreuung und nicht nur dessen vorübergehende medizinische Versorgung wünscht. Dafür Sorge trägt die Jugendwohlfahrt, die sich dann um Pflege- oder Adoptiveltern für die Kleinen kümmert. Gibt es Hinweise auf eine Verwandtschaft, werde zuerst bei Familienangehörigen nach passenden Kandidaten gesucht, erklärte Gänger.

Für eine Aufnahme der Kinder gebe es allgemeine Voraussetzungen: So z. B. müsste das zukünftige Lebensumfeld “positiv geeignet” sein, mögliche leibliche Kinder dürfen durch zusätzliche Findelkinder nicht benachteiligt werden und die finanzielle Situation müsse eine Aufnahme der Findelkinder zulassen. “Das schaut sich das Jugendamt schon genau an”, meinte der Experte. Es würden Gespräche geführt, Unterlagen überprüft, medizinische und psychologische Gutachten eingeholt. “Aber es geht auch nach dem Hausverstand – ob es überhaupt passen kann, ob die Familie in der Lage ist, das Kind aufzuziehen.”

Grundsätzlich sieht das ABGB bei Adoptionen ein Mindestalter der Eltern von 28 Jahren und einen “natürlichen Eltern-Kind-Abstand” vor, erklärte der Experte. “Bei Verwandtenadoptionen gibt es da natürlich eine Durchbrechung, wenn z. B. die Großeltern schon älter sind.” Generell würden ältere Adoptiveltern weniger Chancen haben, ein Kind zu bekommen, da sie sich damit vielleicht zu viel zumuten würden.

Im aktuellen Fall in Amstetten wurde eins der Kinder adoptiert, zwei weitere in Verwandtschaftspflege aufgenommen. Dem Vernehmen nach könnte man mutmaßen, dass die Institutionen damit den Großeltern im fortgeschrittenen Alter helfen wollten – im Bedarfsfall hätten bei Pflegekindern Institutionen unterstützend eingreifen können. Gänger wollte sich nicht zum Fall äußern.

Ein Adoptionsverfahren dauert mindestens sechs Monate – so lange haben die leiblichen Eltern noch Zeit einzuschreiten. Adoptivkinder sind vor dem Gesetz – mit einigen Ausnahmen – den eigenen gleichgestellt. Hat das Pflegschaftsgericht einmal einer Adoption zugestimmt, folgen keine weiteren Prüfungen. Findelkinder seien selten: “In Niederösterreich hat es seit 2001 genau 26 anonym geborene Findelkinder gegeben”, so Gänger. Eine Weglegung habe es in diesem Zeitraum nicht gegeben: “Die biblische Geschichte vom angeschwemmten Körbchen ist Vergangenheitsromantik.”

“Pflege” kann im Gegensatz zur Adoption befristet oder auf Dauer mit offenem Ende vereinbart werden. Dabei treten die leiblichen Eltern die Pflege und Erziehung des Kindes an das Jugendamt ab, das dann die Pflegeeltern damit beauftragt. Ein festgesetztes Mindestalter für Pflegeeltern gebe es nicht, so Gerhard Karner, Chef der Jugendhilfe der Stadt St. Pölten. Trotzdem sei eine gewisse Erfahrung vorausgesetzt. Es gebe auch Vorbereitungskurse für Pflege- bzw. Adoptiveltern.

In den vergangenen Jahren hätte sich im Bereich Adoption/Pflege viel geändert, mittlerweile werde sehr auf Qualität geachtet, meinte Karner. Es gebe zusätzlich zum ABGB z. B. umfangreiche Vorschriften, die einen deutlichen Mehraufwand bedeuten würden: “Das ist aber auch gerechtfertigt.” Man müsse nur auch auf den Personalaufwand schauen.

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