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Salzburgs Co Adriaanse: "Muss wissen, wie ein Spieler denkt"

Er liebt die Offensive - nicht verbal, sondern auf dem Fußball-Platz. Co Adri­aan­se will Österreichs Vizemeister Red Bull Salzburg mit attraktivem Spiel nicht nur in die Erfolgsspur zurückführen, sondern auch zum Publikumsmagneten machen. Steckbrief

Im Interview mit der APA – Austria Presse Agentur sprach der 60-jährige Niederländer über Entwicklungen im modernen Fußball, seinen Vorgänger Giovanni Trapattoni und warum man einmal im Leben ein Nationalteam betreut haben muss.

Sie haben mit ihren Spielern viele Einzelgespräche geführt. Zu
wie viel Prozent spielt sich Fußball im Kopf ab?

Ich würde sagen zu 20 Prozent, in einzelnen Fällen
vielleicht auch mehr – 25 oder 30 Prozent. Selbstvertrauen und ein
Band mit dem Trainer sind sehr wichtig. Ich weiß alle Daten von
meinen Spielern, das kann ich lesen. Aber ich muss auch die
Persönlichkeit kennenlernen. Ich muss wissen, wie ein Spieler denkt
und was er will. Was ist sein Ziel im Leben? Diese Fragen sind sehr
persönlich.

Sie unterscheiden sich stark von ihrem Vorgänger Giovanni
Trapattoni. Sehen Sie sich im Vergleich zu ihm als Ruhepol?

Jeder Trainer hat seine eigene Persönlichkeit. Trap hat
26 Titel (als Spieler und als Trainer/Anm.) gewonnen, da kann man
nichts sagen. Er ist ein Top-Trainer und ein Top-Mensch. Er ist eben
sehr emotionell, ich bin eher ruhig. Jeder Trainer verfolgt seine
eigene Philosophie.

Ihr Spielstil ist offensiv. Wie schwierig ist es, eine
Mannschaft, die das nicht gewohnt ist, darauf umzustellen?

“Aus einer defensiven Mannschaft eine offensive zu
machen, ist sehr schwierig. Umgekehrt ist es einfacher. Ich bräuchte
den ganzen Kader, um das gut umsetzen zu können. Den habe ich im
Moment noch nicht. Das geht nicht in vier oder sechs Wochen. Man
benötigt Zeit, mehrere Monate. Das ist ein langer Weg.

Sie haben einst den Begriff “Scorebordjournalistiek” geprägt.
Damit kritisierten Sie, dass Medien nur Resultate bewerten. Wird
Salzburg tatsächlich nicht nur ergebnisorientiert spielen?

Nein, wir haben ein sehr großes Stadion mit 30.000
Plätzen. Ich hoffe, dass es so groß bleibt. Mein Ziel ist es, dieses
Stadion vollzubekommen – bei jedem Heimspiel. Die Fans müssen die
Spieler lieben, die Mannschaft lieben und ihre Art, Fußball zu
spielen, lieben.

Österreicher würden dem Club als Identifikationsfiguren gut
tun. Stört Sie die Kritik, Red Bull habe wieder keine einheimischen
Spieler geholt?

Ich kann dazu stehen. Wir haben alles versucht, aber es
war nicht möglich. Wir haben gemacht, was wir machen konnten. Wir
haben die Spieler nicht bekommen. Ich verstehe die Leute. Wir alle
wollen so viele Österreicher wie möglich in der Mannschaft haben,
aber das geht nicht.

Haben Sie sich bereits festgelegt, wer die Mannschaft kommende
Saison als Kapitän aufs Feld führen wird?

“Nein, vorher muss ich die Spieler einmal besser
kennenlernen. Es gibt mehrere erfahrene Spieler wie Kovac oder
Zickler, aber auch Jezek. Ein Kapitän muss nicht nur Erfahrung haben,
er muss auch Stammspieler sein. Er muss ein Vorbild sein – nicht nur
im Spiel, sondern auch in der Kabine. Und er muss ein gutes
Verhältnis mit mir haben.

Sie verzichten auf eigene Mental- oder Konditionstrainer, wie
sie im Fußball bereits üblich sind. Warum das?

Ich denke, dass man Elemente nicht isoliert trainieren
muss. Ich versuche, alle Elemente im Fußball zusammenzufassen. Dafür
habe ich einen Techniktrainer (Chris Kronshorst/Anm.), der auch mit
dem Nachwuchs arbeitet. Technik ist in meinen Augen die Basis des
Fußballs. Du musst alles mit dem Ball können. Warum hat nur ein
Torwart einen eigenen Trainer, nicht auch ein Stürmer? Das sind die
beiden wichtigsten Positionen in der Mannschaft. Daher haben wir
mehrere Trainer im Team, die auch individuell arbeiten können.

In modernen Systemen bekommen auch Außenverteidiger oder
defensive Mittelfeldspieler immer mehr Bedeutung.

Alle Positionen sind wichtig. Aber die Spieler in der
Mitte – vom Torwart bis zum Stürmer – sind sehr wichtig. Wenn diese
Achse gut steht, dann hat man schon viel gewonnen. Es gibt viele
Systeme, mit denen man attraktiv und offensiv spielen kann. Ich habe
schon alle gespielt, aber das hängt von den Spielern ab. Wenn ich
keine guten Flügelspieler habe, dann kann ich nicht über den Flügel
spielen. Das Prinzip ist immer dasselbe. Man muss Druck machen, wenn
man den Ball verliert.

Erwarten Sie bei der bevorstehenden EURO 2008 grundlegende neue
Entwicklungen, was Taktik und Systeme betrifft?

Das glaube ich nicht. Die meisten Trainer kenne ich.
Neue Entwicklungen entstehen bei Vereinen und nicht in Länderspielen.
Bei den Vereinen sind die besten Trainer. Und sie haben mehr Zeit,
daran zu arbeiten. Man kann eine oder zwei Saisonen aufbauen. Mit
einem Nationalteam ist das schwierig.

Sie waren auch als möglicher Nachfolger von Marco van Basten
im Gespräch. War es für Sie jemals ein Thema, das niederländische
Nationalteam zu betreuen?

Für jeden Trainer ist es eine sehr große Ehre. Ich kann
es mir vorstellen. Jetzt bin ich sehr glücklich, dass ich in Salzburg
arbeiten kann. Die Bedingungen sind super hier. Aber ich bin nicht
mehr der jüngste Trainer, habe sehr viel Erfahrung und einmal im
Leben muss man als Trainer auch eine Nationalmannschaft trainieren.
Vielleicht kommt das noch in der Zukunft.

Das Gespräch führte Florian Haselmayer/APA.

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