Auch der französische Außenminister Bernard Kouchner macht sich Sorgen, dass Moskau nach Georgien auch andere Staaten destabilisieren könnte. Und der Berater von US-Präsidentschaftskandidat Barack Obama, Michael Haltzel, verweist auf entsprechende Aussagen des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin.
Putin habe zum Anlass des NATO-Gipfels in Bukarest zu US-Präsident George W. Bush gesagt: Sollte die Ukraine der NATO beitreten, werde das Land “zerstückelt” (dismembered). “Verstehst du, George, die Ukraine ist nicht einmal ein Staat”, so Putin angeblich. Russland-Experte Gerhard Mangott bestätigt gegenüber der APA: “Das stimmt, dass Putin das gesagt hat.”
Ob den scharfen Worten aber auch Taten folgen, ist freilich mehr als umstritten. “Ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort zu einer militärischen Auseinandersetzung kommt”, meint Mangott. Der Innsbrucker Politologe bemerkt auch keine Anzeichen dafür, dass Moskau derzeit mehr als schon in den 1990er Jahren versuchen würde, seinen Einfluss auf die Ukraine zu festigen. Der US-amerikanische UNO-Botschafter Zalmay Mamozy Khalilzad gibt sich ebenfalls zurückhaltend: “Nein, ich sehe derzeit nichts dergleichen”, antwortete er auf die APA-Frage, ob er sich Sorgen mache, dass die Ukraine der nächste Schritt Russlands sein könnte.
Ukrainische Medien berichten, dass auf der Krim russische Pässe verteilt werden. Demnach sollen bereits 170.000 Stück an die meist russisch-sprachigen Bewohner der ukrainischen Halbinsel ausgegeben worden sein. Russland macht dies offenbar nicht nur, um seinen Einflussbereich auszuweiten. Russland erachte es zudem als Pflicht, “seine Bürger” zu schützen, selbst wenn diese im Ausland leben, bestätigt der russische EU-Botschafter Wladimir Tschischow. Laut ORF-Korrespondentin Susanne Scholl macht ein Pass allein allerdings noch keinen Staatsbürger.
Rund acht Millionen von 47 Millionen Einwohnern der Ukraine sind russischer Nationalität. Nicht nur deswegen hat die Ukraine für Russland große Bedeutung. Ein großer Teil der russischen Elite habe sich nach 1991 niemals mit dem “Verlust” der ehemaligen Sowjetrepublik abgefunden, schreibt die “Presse”. Für russische Nationalisten bleiben Kiew, Odessa und Sewastopol letztlich russische Städte.
Seit der “Orangenen Revolution” von 2004 sind die Beziehungen zwischen Moskau und Kiew gespannt. Russland nahm die Revolution persönlich, obwohl die Demonstranten damals in erster Linie für freie Wahlen kämpften und sich erst in zweiter Linie gegen die Moskau-treue, manipulierende ukrainische Führung gerichtet hatten. Mit Präsident Viktor Juschtschenko kam dann ein Mann an die Macht, der stark pro-westlich orientiert ist.
Die Georgien-Krise veranlasste Juschtschenko nicht nur dazu, gemeinsam mit dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und seinen baltischen Kollegen nach Tiflis zu reisen, um dem georgischen Präsident Michail Saakaschwili ihre Unterstützung zu bekunden. Juschtschenko provoziert Moskau obendrein, indem er lautstark eine Erhöhung der Pacht für die auf der Krim stationierte russische Schwarzmeerflotte andachte.
Das militärische Vorgehen Russlands gegen Georgien hat jedenfalls einen für Moskau vermutlich unerwünschten Nebeneffekt: In der Ukraine scheint die große Mehrheit gegen einen NATO-Beitritt zu bröckeln. Die Ereignisse hätten “mobilisierend” gewirkt, sagt der Experte Mangott. Und diese Entwicklung ist ganz im Sinne des ukrainischen Präsidenten, der nun einen raschen NATO-Beitritt fordert. Juschtschenko argumentiert: Jedes Land, das nicht Teil eines Bündnisses sei, könnte als nächstes die russische Militärmacht zu spüren bekommen.