Fiese SMS, Handyfilme, gemeine Gerüchte oder einfach nur Stille: Gemobbte Kinder müssen sich längst nicht mehr “nur” Schläge oder aggressive Attacken gefallen lassen. Die Misshandlungen nehmen immer häufiger eine weit subtilere Form an. Je nach Schultyp – wenn Kinder besser mit Worten umgehen können – wird Spott und Sarkasmus eingesetzt. Sonst gibt es für die Opfer Schläge oder Aggressionen, erzählt Sabine Völkl-Kernstock, Psychotherapeutin in der Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Wiener AKH.
Panik beim Gedanken an die Mitschüler
“Zu uns kommen Kinder, denen es nicht mehr gelingt, in die Schule zu gehen”, sagte Völkl-Kernstock. Mit Schulbeginn widmet sich die klinische Psychologin unter anderem wieder gemobbten Schülern. “Manchmal geht es soweit, dass Kinder auch stationär aufgenommen werden müssen. Sie bekommen Panik beim Gedanken in die Schule gehen zu müssen.”
Es beginnt mit bangem Gesicht und endet oft mit einer Phobie. Sehr häufig betroffen sind Kinder ab zehn. “Das beginnt schleichend und manifestiert sich dann im späteren Schulverlauf”, sagte die Psychotherapeutin. Oft kommen die Kinder aber zu spät.
Destruktive Ausweichstrategien
“Ich hatte zum Beispiel einen Buben, der den ganzen Tag im Auto seiner Mutter verbrachte, weil er wusste, dass sie damit nicht wegfährt. Bis die Sache eines Tages aufgeflogen ist. Ein anderer ist einfach nicht aus der Wohnung gegangen. Nachdem die Mutter schon früher das Haus verlassen hatte, blieb er einfach daheim”, erzählte Völkl-Kernstock. Die Ursache für das Mobbing war, weil der Bursche dicklich und unsportlich gewesen sei.
Je nach Geschlecht reagieren Mädchen und Buben oft unterschiedlich auf die Attacken, die gegen sie gerichtet sind, Mädchen häufig mit Depressionen, Zurückgezogenheit und Suizidgedanken. “Sie fühlen sich diskriminiert, nicht angenommen und strahlen auch aus, dass sie keiner mag. Das ist ein Teufelskreis”, sagte Völkl-Kernstock. Burschen – sofern sie körperlich dazu in der Lage sind – reagieren eher mit Aggression. “Sie treten die Flucht nach vorne an.” Für schmächtige Buben bleibt auch nur Stille, Schweigen, Rückzug.
Manchmal leiden Kinder aber auch daran, dass sie sich nicht so hübsch wie andere finden. “Ich hatte ein Mädchen, das zu stehlen begonnen hat, weil sie sich die teuren Markenkleider nicht leisten hat können”, erzählte die Psychotherapeutin. Das größte Problem sind aber die sozialen Kontakte.
Opfertyp
Tatsächlich zeichne sich häufig ein gewisser Opfertyp ab. Manche Kinder haben eine Kontakt- oder Beziehungsstörung, weisen autistische Züge auf oder tun sich einfach schwer im Kontakt mit anderen. Häufig wird Mobbing auch als Schulschwierigkeit tituliert oder ist mit anderen Problemen wie Leistungsschwierigkeiten und Angstverhalten verbunden.
Psycho-Hölle durch Abwertung
Mobbing heißt für die Therapeutin, Gewaltanwendung gegen eine Person, indem man diese diskreditiert, während sie keine Wertschätzung erfährt und in vielen Fällen ihrer Persönlichkeit abgewertet wird. Dass die Fälle mehr werden, könne sie aber nicht bestätigen. Gewaltprobleme in der Schule haben nicht immer mit Mobbing zu tun, oft ist gemobbt zu werden aber von körperlichen Attacken begleitet.
Einige Schulen haben bereits eigene Netzwerke installiert, wo Mobbingopfer Hilfe finden. Im Wiener AKH kann man sich an die allgemeine Ambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie wenden. “Wir bekommen die Kinder aber oft erst dann zu Gesicht, wenn es wirklich schon extrem ist”, sagte Völkl-Kernstock. “Mitunter hilft auch ein Schulwechsel. Es gibt Fälle, wo das Problem damit gelöst war. Manchmal passt die Chemie einfach nicht.”