Jazenjuk war bei den Wahlen im vergangenen Jahr für die Partei Unsere Ukraine von Präsident Viktor Juschtschenko ins Parlament eingezogen und im Rahmen der Regierungsbildung mit dem Block von Julia Timoschenko zum Parlamentspräsidenten ernannt worden.
Entsprechend des Koalitionsvertrags hätte nach dem offiziellen Aus der Regierung vom Dienstag neben Jazenjuk auch die Ministerpräsidentin Timoschenko zurücktreten müssen. Sie hält aber weiter an dem Bündnis fest. Timoschenko hatte erklärt, die Regierung kommissarisch weiter führen zu wollen. Die Regierungschefin hat bis Mitte Oktober Zeit, eine neue Koalition zu bilden. Dabei verhandelt sie auch mit der oppositionellen Partei der Regionen von Viktor Janukowitsch, die vor allem im russischsprachigen Teil des Landes populär ist und einen NATO-Beitritt der Ukraine strikt ablehnt.
Nach monatelangem Streit hatte die Präsidentenpartei Anfang September die Zusammenarbeit aufgekündigt. Damit reagierte sie auf die Beschneidung der Macht des Präsidenten, die Timoschenkos Block gemeinsam mit der Russland-freundlichen Opposition beschlossen hatte. Juschtschenko sprach von einem politischen und verfassungswidrigen Putsch. Sollte bis Mitte Oktober keine neue Regierung gebildet werden, ist der Präsident berechtigt, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen anzuberaumen. Juschtschenko hat für den Fall eines Scheiterns der Koalitionsverhandlungen vorgezogene Parlamentswahlen für Dezember angekündigt.
Die noch junge Demokratie in der Ukraine ist laut Juschtschenko trotz Koalitionsbruch nicht in Gefahr. In einem Interview warf er Timoschenko vor, nationale Interessen verraten und selbstsüchtig gehandelt zu haben. Die Wähler würden Timoschenko dafür die Quittung geben. Die ukrainische Bevölkerung ist die häufigen Urnengänge laut Experten jedoch schon müde. Unsere Ukraine könnte dabei überhaupt von der Bildfläche verschwinden. Umfragen zufolge käme Juschtschenkos Partei bei einer jetzt durchgeführten Wahl auf nicht einmal vier Prozent der Stimmen. Der Julia-Timoschenko-Block und die Partei der Regionen können demnach mit jeweils über 20 Prozent rechnen.
Juschtschenko kritisierte wiederholt die neutrale Position Timoschenkos zu Russland nach den Kampfhandlungen in Georgien, während sich Juschtschenko demonstrativ auf die Seite Georgiens gestellt hatte. Gerüchten zufolge soll Timoschenko von russischer Seite gekauft worden sein. Timoschenko stritt bisher ab, mit einem Entgegenkommen an Moskau die in der Ukraine lebenden Russen zu umwerben. Die Ministerpräsidentin soll noch dieses Monat eine Moskau-Reise antreten, um den russische Regierungschef Wladimir Putin für Gespräche über Wirtschafts- und Handelsfragen zu treffen.
Unterdessen rief das Parlament der ukrainischen Halbinsel Krim nach russischen Angaben die Regierung in Kiew auf, die von Georgien abtrünnigen Provinzen Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten anzuerkennen. Für eine entsprechende Erklärung stimmten am Mittwoch 79 der 90 anwesenden Abgeordneten des 100-Sitze-Parlaments, berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti aus Simferopol. Angesichts der “militärischen Aggression Georgiens gegen das südossetische Volk” sowie der “wiederholten Versuche, die legitime Regierung in Abchasien zu stürzen”, unterstütze die Krim das Recht von Abchasien und Südossetien auf Selbstbestimmung und begrüße die “russischen Friedensbemühungen” in der Region, heißt es in der Erklärung.