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Sahara Geiseln: Acht Monate in Gefangenschaft

Acht Monate schon sind die Salzburger Touristen Andrea Kloiber (43) und Wolfgang Ebner (51) in Nordafrika in Geiselhaft. Wann das Pärchen aus Hallein frei kommt, das am 22. Februar vermutlich in Südtunesien in die Hände einer Splittergruppe der "Al-Kaida im Islamischen Maghreb" geraten und in den Norden Malis verschleppt worden ist, ist laut Außenministerium weiterhin ungewiss.

Die Geiseln sind großen körperlichen und psychischen Stressbelastungen ausgesetzt, warnen Ärzte. “Die Sorgen über ihren gesundheitlichen Zustand sind berechtigt”, sagte der Salzburger Tropenmediziner Christian Gruber im APA-Gespräch. “Je früher sie da raus kommen, desto besser. Jeder Tag zählt.” Die Frage sei, wie lange hält der Körper eines mitteleuropäischen Menschen solche Bedingungen aus.

Das Risiko einer Malaria-Erkrankung sei wegen des trockeneren Klimas im Norden Malis zwar nicht allzu groß, die Gesundheitsgefährdung durch bakterielle Infektionen, Typhus, Lungenentzündung und Durchfall sei wesentlich größer, meinte der Facharzt für Innere Medizin und Tropenmedizin: “Ohne den entsprechenden Medikamenten oder einer Behandlung durch einen Arzt ist das lebensbedrohlich.”

Das Fehlen von sauberem Trinkwasser in Verbindung mit Unterernährung, den extremen Temperaturschwankungen des Wüstenklimas – kalte Nächte, heiße Tage – und die psychisch harte Situation einer Gefangenschaft bezeichnete der Mediziner als “größte Stressbelastung”. “Je länger ein Mitteleuropäer in solchen Umständen leben muss, desto weniger körperliche Reserven hat er. Wenn da nicht seitens der Entführer auf die Geisel Rücksicht genommen wird, ist das sicher schwer zu überleben.”

Im Prinzip sei eine Geiselhaft extrem traumatisierend, sagte Reinhold Fartacek von der Salzburger Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. “Die Menschen versuchen generell, das zu überleben, im gemeinsamen Alltag mit den Entführern.” Schon allein das Verabreichen von Essen und Getränken würden die Gefangenen dankbar als positiven Akt auffassen.

Ein “Stockholm-Syndrom”, bei dem sich die Geiseln mit dem Aggressor unbewusst identifizieren, müsse aber nicht zwingend entstehen. Ein Gefangener könne versuchen, sich anzupassen, um zu überleben. “Es ist legitim, mit den Entführern einen Alltag zu entwickeln, der erträglich ist”, betonte der Primar an der Christian-Doppler-Klinik. Dass Andrea Kloiber und Wolfgang Ebner ein Paar sind, könne hilfreich sein. “Wenn man zusammengeschweißt ist, ist das in so einer Situation ein stützender Faktor.”

Den Vorwurf, in den Verhandlungen um die Befreiung der zwei Salzburger Geiseln gehe offenbar nichts weiter, lässt der Krisenstab des Außenministeriums nicht gelten. “Es vergeht kein Tag, an dem es nicht eine neue Entwicklung gibt”, beruhigte deren Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal im APA-Gespräch. Zahlreiche Personen oder Gruppen hätten ihre Unterstützung angeboten. Österreich hofft nun, dass jene europäischen Länder, die Hilfsprojekte im Norden Malis betreiben, Druck auf die Entführer ausüben.

Der Krisenstab habe guten Grund, anzunehmen, dass es den zwei Salzburgern trotz der großen Strapazen den Umständen entsprechend gut gehe. “Es gibt in regelmäßigen Abständen Lebenszeichen”, weiß Launsky-Tieffenthal. Beispielsweise telefonisch über einen Emissär, der eine persönliche Frage an die Geiseln übermittelt, die nur diese selbst beantworten könnten.

Um die Freilassung voranzutreiben, hält Österreich über den Sondergesandten Anton Prohaska in der malischen Hauptstadt Bamako und den malischen Präsidenten Verbindung zu jenen Personen, die nördlich der Linie Gao-Timbuktu über die Tuareg-Stammesgrenzen hinweg anerkannt sind. Zweitens laufen zahlreiche Kontakte auf politischer Ebene innerhalb der EU und Nordafrika. “Die Freilassung der Salzburger ist ein Anliegen der Europäischen Union. Der EU-Kommissar für Entwicklung war vergangene Woche in Mali, die Freilassung war ein zentraler Punkt der Gespräche”, betonte der Sprecher des Krisenstabes.

Launsky-Tieffenthal gab zu bedenken, dass in dem Gebiet ein bürgerkriegsähnlicher Zustand herrsche, der die Lösung des Entführungsfalles erheblich erschwere. Zu lösen sei nicht nur die Geiselnahme selbst, sondern der Konflikt innerhalb der zerstrittenen Stammesgruppen. Im Vordergrund der Bemühungen stehe, ein sicheres Umfeld für die Freilassung der Geiseln zu schaffen. “Damit sie nach der Freilassung nicht gefährdeter sind als jetzt.” Dass Tuareg-Rebellen kürzlich insgesamt 93 malische Soldaten freigelassen hätten, habe zur Entspannung im Norden Malis beigetragen. Allerdings seien nach der Freilassung vier Tuareg umgebracht worden. Erschossen wurden auch Stammesmitglieder, die an der Freilassung der Geiseln mitgearbeitet hätten.

In Einvernahme mit den Angehörigen sei deshalb der Weg eines behutsamen Vorgehens gewählt worden, der natürlich auch viel Geduld erfordere. “Dass sie psychische “Up and Downs” haben, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Wir lassen aber nichts unversucht, damit die beiden wieder nach Hause kommen”, versicherte der Außenamtssprecher.

Wie berichtet, geht es den Entführern nicht mehr um die Freilassung von inhaftierten Mitgliedern der Al-Kaida-Gruppe, wie anfangs gefordert, sondern angeblich um den Zugang zu Trinkwasserreserven, Bodenschätzen, um Mauteinnahmen und Wegerechte. Österreich könne nicht zur Lösung dieses Problems beitragen, aber zur Befriedung der Situation einwirken, hieß es.

Eine Lösegeldzahlung lehnt die Österreichische Regierung ausdrücklich ab. Es gebe eine Reihe von europäischen Ländern, die im Norden Malis Entwicklungsprojekte betreiben, und diese würden das Anliegen Österreichs unterstützen. Kommuniziert werden könnte, dass das Festhalten der Salzburger diese Projekte – zum Beispiel den Aufbau von Trinkwasserbrunnen – gefährden könnte.

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