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Ohne Beistand erhielte kaum jemand Asyl

Die Rechnung von Innenministerin Maria Fekter klingt einfach. In zwei Jahren hat sich die Zahl der Asylanträge halbiert. Also brauche es auch weniger Beratung. Stimmt nicht, sagt Martin Fellacher, Leiter der Caritas-Flüchtlingshilfe.

Denn noch immer stünden gleich viele Menschen im laufenden Verfahren. Sie warten teils Jahre. Denn die staatlichen Mühlen mahlen langsam. Würde die Caritas Asylwerber rechtlich nicht beraten, hätte kaum jemand eine Chance.

„Bin parteiisch“

Simone Strehle-Hechenberger weiß das. Sie ist Juristin. Hat in Wien studiert. In einer Anwaltskanzlei geschnuppert, das Gerichtsjahr absolviert. Dachte daran, Richterin zu werden. Und hat die Robe dann doch nicht genommen. Warum nicht? „Weil ich zu parteiisch bin.“ Von Kindesbeinen an ist sie das. Hat die Großeltern erlebt, die mit afghanischen Flüchtlingen in der Nachbarschaft eine gute Beziehung unterhielten. Hatte Migrantenkinder als Mitschüler und sah, wie sie gehänselt „oder marginalisiert“ wurden. „Viele landeten rasch in der Sonderschule.“ Einmal, erzählt Strehle-Hechenberger, hat die Lehrerin zu ihr gesagt: „Simone, du bist ja noch dümmer wie die Fatima.“ Simones Vater war Tiroler. „Wir galten schon als Zugereiste.“ Ein Stück fremd eben. Das alles hat sie parteiisch werden lassen. In Asylwerbern sieht sie „zunächst einmal Menschen“. Menschen, „die meist ihren eigenen Bescheid nicht lesen können“. Deshalb hat die Vorarlberger Caritas drei Juristen angestellt, die derzeit 871 Asylwerber betreuen. Simone Strehle-Hechenberger leitet das Team. „2007 haben österreichweit 2516 Asylwerber erst in zweiter Instanz Asyl er­halten. Ohne Berufung wären sie nach Urteilen der ersten Instanz ausgewiesen worden.“ Um die Jahre des Wartens erträglich zu gestalten, versucht Vorarlbergs Caritas in einem Qualifizierungskurs derzeit zwölf Asylwerber weiterzubilden. Bis zu 200 dürfen je nach Saison in der Nachbarschaftshilfe tätig sein. 56 kehrten 2007 in ihre Heimatländer zurück. Auch dabei hilft die Caritas. Den Anspruch auf Rechtsbeistand indes vergleicht Strehle-Hechenberger mit der Vorarlberger Lust nach Eigentum: „Wenn Sie ein Haus bauen wollen, erwarten sie doch auch einen ordentlichen Baubescheid und nicht die Entscheidung des Nachbarschaftsrats, oder?“

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