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"Nein zu einem Bettenabbau"

©APA
Gesundheitsminister Alois Stöger drängt in einem Interview zur Gesundheitsreform auf eine zusätzliche Finanzspritze. Damit, und mit seinem Nein zum Bettenabbau widerspricht er ÖVP-Chef Josef Pröll.

Herr Minister, als Obmann der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse sind Sie einer der größten Gegner der letzten Gesundheitsreform gewesen. Wie passt das mit Ihrer nunmehrigen Funktion zusammen?

Stöger: Die letzte Gesundheitsreform war davon geprägt, dass man alles zentralisieren wollte. Und davon halte ich wenig: Gesundheitsziele sollten zentral vorgegeben werden; das ist wichtig. Aber die Wege, wie man diese Ziele erreicht, sollten von den Menschen entwickelt werden, die direkt bei den Patientinnen und Patienten sind. Das ist ein völlig anderer Zugang.

 

Sie bekennen sich dazu, dass sich Österreich neun Gebietskrankenkassen leistet?

Stöger: Wenn wir uns mit allen anderen Ländern vergleichen, dann haben wir sehr, sehr wenige Kassen. Außerdem: Was wird besser, wenn wir die Kassen zusammenlegen? Das hätte ich gerne gewusst. Wobei ich die platte Antwort, dass man sich einen Direktor ersparen könnte, nicht hören möchte. Wenn ein Direktor bisher nichts geleistet hätte, dann wäre er schon verjagt worden. Ich bin überzeugt davon, dass sich die Verantwortlichen wirklich bemühen, eine patientenorientierte Versorgung sicherzustellen.

 

Die Krankenkassen haben nun aber größte Geldprobleme. Was wollen Sie da unternehmen? Finanzminister Josef Pröll sagt, die Kassen sollten sich zuerst selbst helfen, eine Finanzspritze werde es erst 2010 geben. Ist so viel Zeit?

Stöger: Ich glaube nicht, dass man so lange warten kann. Das Thema brennt, wir müssen schneller eine Lösung finden. Wobei alle einen Beitrag leisten müssen, auch die Kassen selbst. Man muss an allen möglichen Schrauben drehen.

 

Soll es einen stärkeren Ausgleich zwischen den Gebietskrankenkassen geben?

Stöger: Als Obmann der OÖGKK habe ich immer gesagt, wenn wir uns ein System mit starken Kassen in den Bundesländern leisten, dann muss es auch einen Strukturausgleich zwischen diesen geben. Die jetzige Form des Strukturausgleichs ist diskutierenswert, weil nur 45 Prozent der Gesamtsumme nach Strukturnachteilen berechnet werden. Wir sollten auf 100 Prozent kommen.

 

Was meinen Sie mit Strukturnachteilen?

Stöger: Das sind z.B. demographische Nachteile. Oder: Wenn viele Burgenländer ihr Arbeitsleben in Wien und ihre Pension dann wieder daheim verbringen, dann hat die burgenländische Kasse ein Problem.

 

Soll es Beitragserhöhungen oder neue Selbstbehalte geben?

Stöger: Selbstbehalte haben keine Steuerungswirkung. Das wird immer wieder nachgewiesen: Sie führen ausschließlich dazu, dass Kranke mehr zahlen müssen. Ich schließe neue Selbstbehalte daher aus. Was die Beiträge betrifft, so stellt sich die Frage, ob uns die Gesundheit 10,3 Prozent des BIP Wert ist und ob wir das individuell oder solidarisch finanzieren wollen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die solidarische Finanzierung am besten ist.

 

Sie sind also für Beitragserhöhungen?

Stöger: Ich kann sie nicht ausschließen, sie sind aber auch nicht angedacht. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das Geld effizient eingesetzt wird.

 

Was ist dazu im Spitalsbereich notwendig?

Stöger: Als Obmann der OÖGKK habe ich festgestellt, dass die Abrechnung im Spitalsbereich nicht sehr transparent ist. Mehr Transparenz würde nicht schaden. Ich glaube, dass man effizienter wird, wenn man die Maßnahmen, die man setzt, öffentlich erklären muss.

 

Der Rechnungshof fordert auch einen Bettenabbau.

Stöger: Ich messe Gesundheit nicht an Betten, ganz einfach.

 

Die Frage ist, ob zwei Spitäler mit demselben Angebot in unmittelbarer Nähe zueinander leistbar sind.

Stöger: Also zu mir ist außer den fünf bekannten Gesundheitsökonomen noch nie jemand gekommen und hat gesagt, wir haben zu viele Betten. Wenn, dann haben sich die Leute darüber beschwert, dass sie zu lange auf eine Operation warten und auf dem Gang liegen mussten. Die Frage ist eine andere: Welche Gesundheitsleistungen sind notwendig. Wenn ich eine schnelle Versorgung nach einem Schlaganfall sicherstelle, dann erreiche ich damit bessere Ergebnisse – und erspare mir damit möglicherweise einen Pflegeheimplatz.

 

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