Nach Italien hatte sich zuletzt auch Polen zufrieden mit dem Kompromissvorschlag der französischen EU-Ratspräsidentschaft gezeigt, der den ärmeren osteuropäischen Staaten 12 Prozent der Versteigerungserlöse aus dem Emissionshandel ab 2013 sichern würde.
Auch Bundeskanzler Werner Faymann (S) bejahte die Frage, ob er mit einer Einigung rechne. “Ich bin nur deshalb nicht ganz sicher, weil jedes Mitgliedsland in der Lage ist, sofort einen neuen Vorschlag zu machen”, sagte er. Die 2007 definierten EU-Klimaschutzziele seien nach wie vor gegeben, sagte Merkel. “Von diesen Zielen gibt es keinerlei Abstriche.” Mit dem “ambitionierten Programm” werde Europa weiter seine Vorreiterrolle im Klimaschutz unterstreichen.
Faymann betonte erneut, dass der Gipfel Gratiszertifikate für die Schwerindustrie in Aussicht stellen werde. Demnach müssten jene Unternehmen, die in ihrem Sektor zu den zehn Prozent mit der höchst entwickelten Umwelttechnologie zählten nicht für die Emissionsrechte bezahlen. “Wir nennen immer die VOEST als Beispiel. Natürlich wird es Betriebe geben, die das nicht bekommen, weil sie die Standards noch nicht erreicht haben”, sagte er.
Vom Solidaritätsbonus würden am stärksten Polen, Rumänien und Bulgarien profitieren. Als zusätzliches Zugeständnis sollen auch für die Elektrizitätswirtschaft in den osteuropäischen Staaten Übergangsbestimmungen gelten: 70 Prozent der Zertifikate für deren Energieproduzenten wären 2013 noch gratis. Dies gilt für die baltischen Staaten, die nicht oder nur in geringem Ausmaß an das west- und zentraleuropäische Stromnetz angeschlossen sind. Oder für Polen, Bulgarien, Ungarn und Rumänien, die in der Stromproduktion zu mehr als 30 Prozent von einem fossilen Brennstoff wie Kohle oder Gas abhängig sind.
Die EU-Staats- und Regierungschefs haben sich am Freitag auch endgültig auf Zugeständnisse an Irland geeinigt, die den Weg zu einer zweiten Volksabstimmung über den Lissabon-Reformvertrag in Irland frei macht. So soll Irland “rechtliche Garantien” zu seiner Steuerpolitik und zu seiner Neutralität erhalten. Im Hinblick auf das Abtreibungsverbot werden Dublin auch Zusagen zu Familien-, sozialen und ethischen Fragen in Aussicht gestellt. Nach Angaben von Diplomaten muss die EU aber noch klären, in welcher Form diese “rechtlichen Garantien” verankert werden. Teil der Einigung, über die bereits am Donnerstag grundsätzlich Einvernehmen erzielt wurde, ist das Prinzip, dass jedes EU-Mitgliedsland – also auch Irland – in Zukunft einen eigenen EU-Kommissar in Brüssel stellt.
In der Nacht auf Freitag verständigte sich der Gipfel bereits auf ein europäisches Konjunkturprogramm im Volumen von “circa 1,5 Prozent” der kumulierten Wirtschaftsleistung – konkret rund 200 Mrd. Euro – verständigt. Deutschland hat sich dem Vernehmen nach dagegen gesperrt, die 1,5 Prozent als Untergrenze für Maßnahmen gegen den Konjunkturabschwung darzustellen. Das Gros von 170 Mrd. Euro soll über nationale Konjunkturbelebungsmaßnahmen der EU-Staaten kommen, die restlichen 30 Mrd. Euro sollen aus dem EU-Haushalt bzw. von der Europäischen Investmentbank (EIB) kommen, deren Ausleihungsmittel kräftig angehoben werden. Auf Druck insbesondere Berlins wird in dem Papier darauf verwiesen, dass der Stabilitätspakt der Grundstein des EU-Budgetrahmens bleibt.
“Wenn jedes Land in Europa jetzt etwas unternimmt zur Ankurbelung der Konjunktur, dann hat das natürlich einen Multiplikatoreffekt”, sagte Faymann “Nicht vergessen darf man auch die psychologische Wirkung.” Aus heutiger Sicht sei das beschlossene EU-Konjunkturprogramm gut. “Aber wie viele Programme, wie viel Anstrengung wir noch brauchen, lässt sich aus heutiger Sicht nicht absehen.”