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Drahtzieher des Afghanistan-Anschlags bei Botschaft gefasst

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Die afghanischen Behörden haben den mutmaßlichen Drahtzieher des Ansch­lags nahe der deutschen Botschaft in Kabul von Mitte Jänner gefasst. Es handle sich um einen Pakistani, der vermutlich der Anführer einer insgesamt 17-köpfigen Extremistengruppe sei.

Das teilte die Nationale Sicherheitsbehörde (NDS) am Dienstag in Kabul mit. Ein Selbstmordattentäter hatte am 17. Jänner fünf Menschen mit in den Tod gerissen, rund 30 weitere wurden verletzt.

Die Festgenommenen sollen für mindestens sechs Selbstmordanschläge in Kabul verantwortlich sein. Alle 17 hätten ihre Beteiligung an den Anschlägen gestanden, sagte ein Sprecher der Behörde auf einer Pressekonferenz. Die NDS verteilte an Reporter gefilmte Geständnisse einiger der mutmaßlichen Extremisten auf DVD. Die Gruppe gehört demnach zu dem den Taliban nahestehenden afghanischen Haqqani-Netzwerk sowie zu der im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan ansässigen Gruppe Harakat-ul-Mujaheddin. Die Festgenommenen sind den Angaben zufolge zwischen 23 und 55 Jahre alt und stammen mit Ausnahme des 23-jährigen pakistanischen Anführers aus Afghanistan. Nach drei weiteren Männern werde gefahndet.

Bei den sechs Anschlägen wurden mindestens 20 afghanische Zivilisten getötet und mehr als 120 weitere verletzt. Die Zahl der bei den Anschlägen getöteten ausländischen Soldaten konnte der NDS-Sprecher nicht angeben. Einer der Anschläge wurde am 27. November nahe der US-Botschaft verübt. Dabei waren vier Zivilisten getötet worden.

Die NATO hatte nach eigenen Angaben bereits in den vergangenen Wochen mehrere Verdächtige im Zusammenhang mit dem Anschlag nahe der deutschen Botschaft festgenommen. Zu der Tat, bei der vier Zivilisten und ein US-Soldat getötet worden waren, hatten sich die radikal-islamischen Taliban bekannt. Ein Taliban-Sprecher hatte gesagt, Ziel des Täters seien zwei Fahrzeuge der deutschen Botschaft gewesen. Unter den Verletzten waren mehrere Mitarbeiter der deutschen Botschaft. Am Botschaftsgebäude selbst entstand laut dem Auswärtigen Amt “erheblicher Sachschaden”. In der besonders gesicherten Gegend befinden sich weitere diplomatische Vertretungen sowie Büros der Vereinten Nationen.

Am Dienstag unterbrachen Islamisten mit einem Sprengstoffanschlag auf eine Brücke am Khyber-Pass im Nordwesten Pakistans die wichtigste Nachschubroute für die NATO-Streitkräfte in Afghanistan. Der Sprengsatz ging um 06.00 Uhr Ortszeit (02.00 Uhr MEZ) hoch, bis zum Abschluss der Reparaturen könne kein Fahrzeug mehr die Brücke passieren, sagte Behördenvertreter Tariq Hayat AFP. Der Verkehr sollte den Behörden zufolge am Mittwoch wieder fließen.

Afghanistan wird auch eines der Themen sein, die der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Dienstag in Washington mit seiner Amtskollegin Hillary Clinton erörtern wollte. Die USA werden bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende mit einer hochrangigen Delegation vertreten sein. Die USA wollen ihre Soldaten im Irak verringern, in Afghanistan aber heuer erhöhen, und sie pochen auf ein stärkeres Engagement der Verbündeten. Die deutsche Bundeswehr hat am Hindukusch rund 3.500 Soldaten gegen die wieder erstarkenden Taliban im Einsatz. Innenminister Wolfgang Schäuble sieht wegen der jüngsten islamistischen Videos im Internet eine neue Qualität der Bedrohung.

Unterdessen kehren immer mehr deutsche Soldaten schwer traumatisiert von ihrem Afghanistan-Einsatz zurück. Verteidigungsminister Franz Josef Jung äußerte sich am Dienstag sehr besorgt über diese Tendenz. Nach seinen Worten leiden etwas mehr als zwei Prozent der Afghanistan-Heimkehrer unter diesem Trauma, deutlich mehr als beim Gesamtdurchschnitt aller Soldaten. Bei einem Besuch der 13. Panzergrenadierdivison in Leipzig appellierte Jung an die betroffenen Soldaten, bei Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung möglichst schnell einen Arzt aufzusuchen. Er kündigte die Einrichtung eines Kompetenz- und Forschungszentrums an.

Vermutet wird, dass die Dunkelziffer der Traumatisierten weit höher liegt. Der Sprecher des Bundeswehrverbandes verwies im Zusammenhang damit darauf hin, dass in anderen NATO-Ländern wie Frankreich, Großbritannien oder Spanien fünf Prozent der Soldaten nach dem Auslandseinsatz unter psychischen Folgestörungen leiden. Diese Quote sei realistischer. Die “Süddeutsche Zeitung” berichtete über einen gemeinsamen Antrag von SPD und CDU, in dem eine bessere Hilfe für Betroffene verlangt wird. Der Antrag solle kommende Woche im Bundestag verabschiedet werden.

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