Glos geht, Guttenberg kommt - "Schuld hat die CSU"
“Innerhalb der Union haben wir eine regelrechte Clownerie mit der Verfassung erlebt”, ereiferte sich FDP-Chef Guido Westerwelle am Montag in Berlin. Er zielte damit auf den Verlauf der Personalie ab: Glos, der aus seiner Amtsmüdigkeit praktisch schon seit Dienstantritt nie einen Hehl gemacht hatte, gab seinen Ruhestandswunsch zunächst über die Medien bekannt. Nach langem Zögern einigten sich die Unionsspitzen dann am Sonntag darauf, den Rücktritt des 64-jährigen CSU-Politikers anzunehmen. Im Eilverfahren wurde CSU-Generalsekretär Karl-Theodor zu Guttenberg zum Nachfolger auserkoren.
Üblicherweise geht eine Kabinettsumbildung geordneter vonstatten, und für die Opposition war das Prozedere eine Steilvorlage. “Es hat sich gezeigt, dass die Kanzlerin in den eigenen Reihen augenscheinlich nur noch wenig Autorität hat”, wetterte nicht nur Westerwelle.
“Das war keine Glanzleistung”, räumte auch ein CDU-Präsidialer ein, fügte aber hinzu: “Schuld hat die CSU”. Kanzlerin Angela Merkel hätte kaum schneller reagieren können, nahm ein anderer CDU-Spitzenmann seine Parteivorsitzende in Schutz.
Nach Angaben aus der Parteispitze machte Merkel am Wochenende bei CSU-Chef Horst Seehofer erheblich Druck, eine schnelle Klärung der Situation herbeizuführen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm bestätigte das, wenn auch in diplomatisch-milder Form: Es sei “für sie klar” gewesen, “dass die Situation im Laufe des Wochenendes geklärt sein muss”.
Bereits am (morgigen) soll der Führungswechsel im Bundeswirtschaftsministerium vollzogen werden. Hinsichtlich des Prozederes lässt sich daraus kaum ein Versagen der Bundesregierung konstruieren. Zum Vergleich: Über den angekündigten Wechsel des damaligen Landwirtschaftsministers Horst Seehofer nach Bayern bis hin zur Amtseinführung seiner Nachfolgerin Ilse Aigner vergingen Wochen.
Die SPD hielt sich mit Kritik am Koalitionspartner CDU denn auch zurück. Spott musste sich hingegen die CSU anhören, so etwa durch Umweltminister Sigmar Gabriel, der die Art des Rückzugs von Glos und die Neubesetzung des Postens durch die CSU als “Komödienstadl” bezeichnete.
Merkel und die CDU dürfte der Wechsel aus mehreren Gründen freuen. Seehofer, dessen Auftritte in Berlin in den letzten Wochen als allmächtig und teilweise gar als überheblich wahrgenommen wurden, geht aus dem Wochenende beschädigt hervor, da sind sich die Kommentatoren in Berlin weitgehend einig. “Der wird jetzt erst mal kleinere Brötchen backen müssen”, hieß es dazu aus der CDU-Spitze.
Zweitens gilt Glos’ Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg als ein Politiker mit ausgezeichneten Kontakten ins Ausland. Guttenberg hat sie zwar im Rahmen seiner Arbeit als Außen- und Verteidigungsexperte geknüpft, sie machen ihm – neben fundierten Sprachkenntnissen – die Arbeit auf internationalem Parkett aber gewiss nicht schwerer. Damit kann der als loyal geltende Guttenberg einen Bereich abdecken, auf dem Glos so gut wie gar nicht in Erscheinung trat.
Merkel bekommt eine Stütze in ihrem Bemühen, die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur national, sondern international zu bekämpfen und dabei möglichst viele Staaten ins Boot zu holen. Die Karten für die nationale Krisenbewältigung sind zwischen Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ohnehin schon verteilt.
Merkel sicherte ihrem neuen Minister schon im Voraus ihr “volles Vertrauen und ihre volle Unterstützung” zu. “Er hat sicherlich eine sehr anspruchsvolle Aufgabe übernommen, in einer Zeit, in der wir den Kampf gegen die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise fortführen müssen”, betonte sie, zeigte sich aber davon überzeugt, dass Guttenberg mit seinem “”großen, internatonalen Erfahrungsspektrum” seine Arbeit “exzellent machen” werde.
Drittens, und darauf sind Politiker beider Unionsseiten stolz, zieht mit dem erst 37 Jahre alten Guttenberg ein frisches Gesicht ins Kabinett. Im anstehenden Wahlkampf lassen sich damit Punkte sammeln. (Schluss) cvo/ed