Man darf sich nicht immer auf das Gesetz hinausreden. Wir wissen, es war in Österreich, es hat auch Gesetze gegeben aus dem Dritten Reich, die waren furchtbar. Und die Personen, die sie zu vollziehen hatten, haben auch immer gesagt: Gesetz ist Gesetz.” Diese Aussage von Erwin Bahl, dem Bürgermeister von Schruns, hat in der vergangenen Woche für Aufsehen gesorgt und Sicherheitsdirektor Elmar Marent dazu veranlasst, von einer Ungeheuerlichkeit zu sprechen.
Polizeikommandant Grüninger
Der Historiker Werner Bundschuh erinnert sich dabei an den St. Galler Polizeikommandant Paul Grüninger (1891-1972). Dieser rettete in den Jahren 1938 und 39 mehrere hundert jüdische und andere Flüchtlinge vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Vernichtung. Trotz schweizerischer Grenzsperre nahm er sie in St. Gallen auf, missachtete die Weisungen des Bundes und übertrat auch Gesetze, um Flüchtlinge zu schützen. Dass er seinem Gewissen gefolgt ist, hatte letztlich seine fristlose Entlassung zur Folge.
Dem Gewissen folgen
Auch in einem demokratischen Staat ist es manchmal notwendig seinem Gewissen zu folgen, wenn die Gesetze unmenschlich sind”, folgert der Historiker für die heutige Zeit. Für ihn ist klar, dass sich ein Land, das Kinder in Schubhaft nimmt, internationaler Kritik aussetzt. Und in diesem Sinne zeigt er großes Verständnis für die Aussage des Schrunser Bürgermeisters.
Bundschuh zu Vergleichen mit dem Dritten Reich
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Respekt für Bahl
Auf VOL Live-Anfrage hat sich auch der Sozialwissenschaftler Kurt Greussing zur aktuellen Debatte geäußert. Bahl habe nicht die gegenwärtige Vollzugspraxis gegenüber Asylanten mit den Verbrechen des Dritten Reiches gleichgesetzt. Was er gesagt hat, sei ganz einfach:
Die Erfahrungen der Nazi-Zeit sollten uns gelehrt haben, dass man Gesetze nicht blind vollziehen darf, sondern dass man immer auch die Schicksale der betroffenen Menschen im Auge haben muss. Diese Folgerung haben übrigens, gerade in Deutschland nach 1945, vor allem die großen christlichen Kirchen gezogen. Und Bahl zieht sie auch – dafür gebühren ihm Dankbarkeit und Respekt”, so Greussing.
NS-Ideologie heute
Bundschuh und Greussing verweisen in diesem Zusammenhang auf das nationalsozialistische Gedankengut, welches nach 1945 nicht einfach verschwunden ist. Dabei handelt es sich um Mentalitäten, die überlebt haben und weitergetragen werden. Die Ausgrenzung von Fremden ist ein Element der NS-Ideologie”, so Bundschuh, der am Bundesgymnasium Dornbirn Geschichte lehrt. Ihm zufolge habe dies bei uns in den letzten Jahren sogar zugenommen.
Gesetzliche Verankerung
Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts sind letztlich die Folgen dieser Stimmung und Ausdruck unserer Grundhaltungen. Bundschuh, der auch Vorsitzender der Johann Malin-Gesellschaft ist, spricht dabei von einer Abschottungspolitik, die auch mit Hilfe von Gesetzen vollzogen wird.”
Der Geist des Dritten Reiches in unserer Gegenwart
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