AA

Barca im Himmel, Chelsea im Tal der Tränen

Schiedsrichter Övrebö stand unfreiwillig im Mittelpunkt
Schiedsrichter Övrebö stand unfreiwillig im Mittelpunkt © EPA
Barcelona im CL-Finale, Chelsea im Tal der Tränen: Während die spanische Presse den "Fußball-Gott" Iniesta feierte, schrieben englische Blätter von "Betrug".

Wie eng im Fußball Freude und Enttäuschung beisammen liegen, haben Mittwochabend im Semifinal-Rückspiel der Champions League Chelsea FC und FC Barcelona an der Londoner Stamford Bridge demonstriert. Die Engländer wähnten sich nach dem 0:0 vom Camp Nou dank eines Volleytors des Ghanaers Michael Essien aus der neunten Minute schon als sicherer Finalist, ehe der Traum wie eine Seifenblase doch noch zerplatzte.

Drei Minuten hatten den Hausherren zur Endstation Sehnsucht gefehlt, um so wie im Vorjahr in Moskau im Endspiel zu stehen. Doch dann fasste sich fast schon mit dem Mute der Verzweiflung Andres Iniesta ein Herz, zog nach einem Zuspiel von Lionel Messi knapp vor der Strafraumgrenze ab und traf in der 93. Minute mitten ins Glück. Durch den Ausgleich, seinen ersten Saisontreffer in der Champions League, und dank der Auswärtstorregel beförderte der spanische Europameister Barca in den Fußball-Himmel und stieß Chelsea ins Tal der Tränen.

Somit lautet das 17. Finale in der “Millionen-Liga” am 27. Mai im Römer Olympia-Stadion Barcelona gegen Manchester United. Die Katalanen erreichten zum insgesamt 13-mal einen Europacup-Showdown und peilen ihre dritte Trophäe im wertvollsten Clubbewerb des Kontinents nach 1992 und 2006 an. ManU hat den dritten Streich nach 1999 und 2008 im Fokus, könnte seinen Titel als erster Verein in der 1992/93 eingeführten Champions League erfolgreich verteidigen. Mit drei Triumphen wären die “Red Devils” in der CL-Statistik gleichauf mit Rekordsieger Real Madrid (inkl. Meistercup neun Titel) und AC Milan.

Die Zeitungen in Spanien überschlugen sich am Donnerstag mit Superlativen für Barca und den Helden des Abends, der den einzigen echt gefährlich Schuss seiner Elf abgegeben hatte. “Iniesta, ein himmlisches Tor”, schrieb “El Pais”, “El Mundo” bezeichnete den Torschützen als “stillen Helden” und “As” meinte: “Iniesta ermöglicht das Wunder.” Juan Cruz, der Kolumnist von “As” kam zu dem Schluss: “Jetzt wissen wir, wer der Fußball-Gott ist. Sein Name ist Andres, er ist scheu und kommt aus Albacete. Er ist eine guter Mensch, der mich gestern vor Freude zum Weinen brachte.”

Der erneut blass gebliebene Lionel Messi glaubt: “Nun stehen die zwei besten Clubs der Welt im Finale.” Entzückt war natürlich auch Josep Guardiola, der wie sein Landsmann Vicente Del Bosque 1999/2000 mit Real in seiner ersten Saison als Chefcoach das Endspiel der Königsklasse erreichte. “Ich bin begeistert, wie es in diesem Jahr läuft, habe nicht erwartet, dass wir solche Erfolge haben würden”, gestand der 38-Jährige, der vor Barcas 19. Liga-Titel und auch im nationalen Cup-Finale gegen Athletic Bilbao steht. Und Guardiola freute sich natürlich auch mit Iniesta: “Er ist ein großartiger Spieler, der oft kritisiert wird, weil er zu wenig Tore erzielt. Das hört nun hoffentlich auf.”

In der Stunde des Jubels fand der Jung-Coach auch Zeit für einen Blick auf Rom und den Gegner. “United ist Titelverteidiger, hat ein unglaubliches Team und einen Trainer mit viel Erfahrung. Ich erwarte, dass die Engländer gegen uns auf Konter lauern werden. Wir werden angreifen, wollen scoren, ich rechne mit einem tolles Spiel”, meinte Guardiola, der im Finale auf Daniel Alves, Eric Abidal (beide gesperrt) und Rafael Marquez (verletzt) verzichten muss. In London sind Puyol, Maquez und vor allem Stürmerstar Thierry Henry (Knie) stark abgegangen.

Die “Blues”, die nur 36 Prozent Ballbesitz hatten, verstanden nach der verpassten Chance die Fußball-Welt nicht mehr. Dass nicht Barca, sondern sie Ende Mai nur Zuschauer sind, wollte niemand glauben. Nicht sie, die im Camp Nou vor einer Woche die spielerische Lawine des Gegners mit ihrer defensiven Taktik, Robustheit und Disziplin in Schach gehalten hatten und dies auch am Mittwoch vor 41.841 Besuchern erfolgreich praktizierten, das tat weh. Und sie fanden nach Schlusspfiff in Referee Tom Henning Övrebö den Schuldigen.

Der Norweger hat nach Meinung der Hausherren und nicht nur dieser einige umstritten Situationen im Barca-Strafraum nicht mit Penalty geahndet. Er wurde daher auch nach dem Krimi von Drogba (“Habt ihr das gesehen? Das ist eine Schande!”), Ballack und Co. bestürmt, bedrängt und wüst beschimpft. Die Spieler waren so aufgebracht, dass sie von Ordner zurückgehalten und dann von ihrem Trainer Guus Hiddink lange Zeit zum Abkühlen in der Kabine “festgehalten” werden mussten.

Die Chelsea-Spieler, allen voran Drogba, haben sich selbst an der Nase zu nehmen, sie hätten nach dem 1:0 die Partie vorzeitig entscheiden können. So war der Stürmer von der Elfenbeinküste in Minute 52 mit dem Matchball an Keeper Valdes gescheitert. Die englische Sportpresse schoss sich am Donnerstag auf den Unparteiischen ein. Die “Daily Mail” verwendete das Wort “Betrug, der “Daily Express” wählte “Unrecht”, das Boulevard-Blatt “The Sun” bezeichnete die Ereignisse mit “Herz zerreißend” und die “Times” tadelte Drobgas Verhalten mit dem Spitznamen “Mad Drog”.

Hiddink, der die Stamford Bridge zu Saisonende wieder verlässt und sich auf seine Job als russischer Teamchef konzentrieren wird, hat eine solche Schiedsrichter-Leistung “noch nie erlebt”, stellte aber als Sportsmann gleichzeitig fest: “Wir haben ein gutes Spiel gemacht und hätten die Partie schon entscheiden können, bevor die Entscheidungen eine weltweite Diskussion über mögliche Elfmeter auslösten”, meinte der Niederländer, der nicht verstand, dass für solche Matches nicht Top-Referees aus großen Ligen wie Italien, England, Spanien oder Deutschland herangezogen werden.

Hiddink, der 1988 mit PSV Eindhoven den Meistercup gewonnen hat, zeigte für seine aufgebrachte “Herde”, aus der sich Drogba als gestikulierender, kritisierender und wütender Anführer noch hervortat, Verständnis. “Ich kann voll und ganz die Emotionen meiner Spieler nachvollziehen.” Vor allem das Foul von Alves an Malouda hat auch Hiddink geärgert: “Das war definitiv im Strafraum, Övrebö hatte perfekte Sicht, verlegte das Foul aber vor den Strafraum. Ich glaube, da sind wir beraubt worden.” Gelegenheit, den Frust abzuschütteln hat Chelsea am Sonntag der 36. Runde der Premier League, wenn die Londoner im Duell der Europacup-Aussteiger beim Stadtrivalen Arsenal antreten.

Das Aus traf Chelsea ähnlich hart wie das K.o. vor einem Jahr im finalen Elferschießen gegen ManU. “In der 93. Minute auszuscheiden, in einer Situation, wo man nicht mehr regaieren kann – das ist natürlich eine riesige Enttäuschung”, meinte Ballack, der Chelsea als “bessere Mannschaft mit mehr Chancen” (4:1 Torschüsse) gesehen hatte. Der deutsche Teamkapitän muss aber weiterhin auf seinen ersten großen Titel warten. “Ich spiele in einer Super-Mannschaft, da ist die Chance jedes Jahr relativ hoch, ins Finale zu kommen”, sagte der 32-Jährige.

  • VIENNA.AT
  • Fußball
  • Barca im Himmel, Chelsea im Tal der Tränen
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen