Khamenei erteilte einem Kompromissvorschlag der Opposition, wonach eine unabhängige Kommission die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl überprüfen solle, eine Absage. Es müsse sich an geltende Gesetze gehalten werden, sagte er. Diese sähen vor, dass sich der Wächterrat mit der Prüfung der Wahlergebnisse befasst, kein anderes Gremium.
Der iranische Oppositionsführer Mir-Hossein Moussavi hatte zur Untersuchung eines möglichen Wahlbetrugs vorgeschlagen, ein unabhängiges Komitee zu bilden. Die Erkenntnisse dieser Untersuchung und der abschließende Bericht des Komitees würden nicht nur dazu beitragen, die Lage zu beruhigen, sondern auch generell das Vertrauen in das System wieder herstellen, schrieb Moussavi am Mittwoch auf seiner Internetseite.
Einer der unterlegenen iranischen Präsidentschaftskandidaten hat seine Beschwerde gegen die Wahl unterdessen zurückgezogen. Er handle im Sinne des Landes, erklärte der zum konservativen Lager zählende Mohsen Rezaie am Mittwoch laut einem Bericht des staatlichen Fernsehens. Rezaie, ein früherer Kommandant der Revolutionsgarden, landete bei der umstrittenen Wahl am 12. Juni laut amtlichem Ergebnis weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Ihm waren von Anfang an kaum Chancen eingeräumt worden.
Der vierte Präsidentschaftskandidat, Mehdi Karroubi, rief zu einem Tag der Trauer um die Opfer der Proteste auf. Internet-Einträgen zufolge könnte das Gedenken am Donnerstag stattfinden. Der frühere Parlamentspräsident Karroubi wird wie Moussavi dem Reformlager zugeordnet.
Sahra Rahnaward, die Ehefrau Moussavis, hat die Regierung aufgefordert, die Gewalt in Teheran zu beenden. “Sie sollten nicht handeln, als gelte Kriegsrecht auf den Straßen Teherans”, schrieb die Politologin Rahnaward am Mittwoch auf der Internetseite ihres Mannes.
Im Fall der bei einer Protestkundgebung erschossenen Neda Agha-Soltan gehen die iranischen Behörden nach einem Bericht der staatlichen Agentur Fars neuen Spuren nach. Die 19-jährige Neda, deren Tod gefilmt und im Internet verbreitet worden war, ist zu einer Ikone der iranischen Protestbewegung und damit zugleich zu einer Gefahr für das Regime geworden. Fars berichtete am Mittwoch, die Polizei habe mittlerweile bestätigt, dass die junge Frau bei einer Kundgebung erschossen wurde. Demnach habe der Schütze, der nicht aus den Reihen der Polizei stamme, bei der Kundgebung am vergangenen Samstag wild um sich geschossen, und eine der Kugeln habe Neda am Hinterkopf getroffen. Dies gehe aus Zeugenbefragungen und gerichtsmedizinischen Untersuchungen hervor.
Am Mittwoch wurde bekannt, dass 25 Journalisten von Moussavis Zeitung “Kalemeh Sabs” (Grünes Wort) festgenommen wurden. Die Polizei sei in die Redaktion eingedrungen und habe die Reporter festgenommen. Sie arbeiteten auch für die Internetseiten Moussavis. Laut staatlicher Nachrichtenagentur IRNA begründete die Polizei die Aktion mit einem “Psycho-Krieg”, den die Reporter gegen das ganze Land geführt hätten.
Der Iran überdenkt indes seine diplomatischen Beziehungen zu Großbritannien. Es werde erwogen, die Kontakte mit London zurückzustufen, sagte Außenminister Manouchehr Mottaki am Mittwoch nach einer Kabinettssitzung in Teheran. Mottaki gab auch bekannt, dass er die Einladung zur Teilnahme am Treffen der G-8-Außenminister in Italien nicht wahrnehmen werde. “Ich habe keine Pläne zu fahren”, sagte er.
Der Iran hatte am Dienstag zwei britische Diplomaten aufgrund von Spionagevorwürfen ausgewiesen. Im Zusammenhang mit den Protesten wirft die iranische Führung Großbritannien und anderen westlichen Staaten Einmischung in die inneren Angelegenheiten vor. Das britische Außenministerium bezeichnete die Entscheidung als ungerechtfertigt und die Anschuldigungen als grundlos.
Bei den Protesten der Moussavi-Anhänger, die von massivem Wahlbetrug sprechen, sind nach Regierungsangaben allein in Teheran mindestens 627 Menschen verhaftet worden. Die offiziellen Angaben zur Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit den Unruhen schwanken zwischen 17 und 27, wie Hadi Ghaemi, der Direktor der in New York ansässigen Organisation Internationale Kampagne für Menschenrechte im Iran, sagte. Ghaemi geht nach Gesprächen mit Augenzeugen, Angehörigen und Krankenhausmitarbeitern allerdings davon aus, dass tatsächlich deutlich mehr Menschen ums Leben gekommen sind. Ähnliche Vermutungen stellte die Iran-Expertin Ruth Jüttner von Amnesty International gegenüber dem Sender Deutschlandradio Kultur an.