“Zu sehen, wie einem Massenmörder in Tripolis ein Helden-Empfang bereitet wird, ist zutiefst erschütternd”, sagte Miliband im BBC-Radio. Die USA betonten, wenn die libysche Regierung Abdel Basset al-Megrahi nun zum Helden stilisiere, dann werde dies Konsequenzen für das bilaterale Verhältnis haben.
Der einzige verurteilte Lockerbie-Attentäter wurde am Donnerstag vom schottischen Justizminister Kenny MacAskill aus humanitären Gründen begnadigt, da er an Prostata-Krebs im Endstadium leidet. Bei seiner Rückkehr nach Tripolis wurde der frühere libysche Geheimdienstagent am späten Abend von tausenden Menschen – überwiegend junge Männer – wie ein Held empfangen. Schottische Abgeordnete kritisierten, dass die schottische Flagge bei al-Megragis Ankunft geschwenkt wurde. “Zu sehen, wie sie (die Flagge) dafür missbraucht wird, einen Massenmörder zu feiern, ist abscheulich”, sagte der Labour-Abgeordnete Russell Brown.
Der 57-Jährige verließ das Flugzeug in Begleitung von Saif al-Islam Gaddafi, dem Sohn des libyschen Staatschefs Muammar al-Gaddafi. Letzterer hatte sich in den vergangenen Jahren intensiv für die Freilassung al-Megrahis eingesetzt. Zugleich aber übernahm Libyen die Verantwortung für den Lockerbie-Anschlag und sagte den Angehörigen der Opfer Entschädigung zu.
Al-Megrahi beteuerte bei seiner Ankunft in Libyen erneut seine Unschuld. Er sei fälschlicherweise wegen der Explosion einer Pan-Am-Maschine über der schottischen Ortschaft Lockerbie verurteilt worden. Dabei kamen im Dezember 1988 insgesamt 270 Menschen ums Leben, überwiegend US-Bürger. Al-Megrahi bekundete sein Mitgefühl für die Angehörigen der Opfer.
Miliband sagte der BBC, die libysche Regierung müsse sich darüber im Klaren sein, dass die Weltöffentlichkeit ihr Verhalten in dem Fall genau beobachte. Die Szenen bei der Ankunft des Begnadigten in Tripolis seien “zutiefst schmerzlich und zutiefst erschütternd für die 270 Opfer-Familien … sowie für jeden, der auch nur ein kleines Stück Menschlichkeit in sich hat”.
Miliband ließ offen, ob er selbst mit der Freilassung al-Megrahis einverstanden war. Er erklärte lediglich, London habe in dem Fall keinen Druck auf Edinburgh ausgeübt. Die Entscheidung wurde von der schottischen Regierung getroffen, die in juristischen Fragen von London unabhängig ist. Sollten jedoch außenpolitische Konsequenzen folgen, wäre die britische Regierung damit befasst.
Die USA hatten gezielt versucht, Schottland von der Freilassung al-Megrahis abzubringen. US-Präsident Barack Obama bezeichnete die Begnadigung als Fehler und forderte Libyen auf, den Heimgekehrten unter Hausarrest zu stellen. Obamas Sprecher Robert Gibbs bezeichnete den früheren Agenten als Massenmörder.
Für viele Libyer galt al-Megrahi indessen stets als Sündenbock des Westens, um ihr Land aus der internationalen Staatengemeinschaft zu verstoßen. Inzwischen hat sich al-Gaddafi aber wieder an den Westen angenähert. Manche Angehörige der Lockerbie-Opfer sahen hierin einen Zusammenhang zu der umstrittenen Freilassung al-Megrahis. “Es ging hier nicht um humanitäre Gründe”, kritisierte Susan Cohen aus New Jersey, dessen damals 20-jährige Tochter in der Pan-Am-Maschine ums Leben kam. “Es ging darum, sich dem Willen al-Gaddafis zu beugen, damit er uns sein Öl liefert.”
Al-Megrahi wurde 1999 von Libyen an die Niederlande überstellt, wo der Lockerbie-Prozess nach schottischen Recht stattfand. Er wurde 2001 als einziger Verdächtiger für den Anschlag zu lebenslanger Haft verurteilt.
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