"Richard II.": Claus Peymann zurück an der Burg

Die umjubelte Premiere von “Richard II.” an der Burg gestaltete sich als Nostalgie-Veranstaltung ersten Ranges: Sie brachte nicht nur ein Wiedersehen mit dem Regisseur Claus Peymann, der sich nach der über dreistündigen Wien-Premiere einer aus dem Juni 2000 stammenden Berliner Inszenierung auch sichtlich gerührt solo feiern ließ, sondern auch eine Wiederbegegnung mit der sattsam bekannten Regie-Handschrift des ehemaligen Burgtheater-Chefs.
Die Grundstimmung dieses Abends ist jedoch nicht die Erkenntnis zeitloser Gültigkeit, sondern die, dass die Zeit eben nicht stillsteht. Das Stück hätte der heutige BE-Intendant wohl auch einst schon in Bochum so inszenieren können: Nichtssagendes Einheitsbühnenbild (Achim Freyer), Trommelwirbel und Helme als Andeutungen kriegerischen Treibens, wenige Requisiten zur Unterstützung einer ganz auf die Schauspieler konzentrierten Arbeit.
Dieser “Richard II.”, der seine besten Gags aus der verspielten und pointierten Übersetzung von Thomas Brasch bezieht, ist deutlich old fashioned. Das hat den Vorteil, dass man – keineswegs selbstverständlich im heutigen Theater – problemlos der Geschichte und den Ränkespielen der blaublütigen Onkel, Tanten und Cousins folgen kann, aber auch den Nachteil, dass ohne szenische Fantasien das Stück nie abhebt, sondern deutliche Längen aufweist. Angesichts der Assoziationsbeflissenheit und Bilderwut der heutigen Regie-Generation fällt einem die starke Rampenorientiertheit und Textlastigkeit der Peymann-Schule besonders stark auf.
Neben Peymann galt am Ende den beiden Protagonisten zu Recht der meiste Beifall: Michael Maertens, der den in Selbstmitleid badenden, von der Macht verführten König Richard II. in seinem Fall besonders eindringlich gestaltet, und Veit Schubert, dessen Aufstieg vom verstoßenen Höfling Bolingbroke zum kommenden König Heinrich sich in der Gegenbewegung ereignet: ein auf Recht und Gerechtigkeit Pochender, der sich unwillkürlich verändert, je höher er steigt. Ein gnadenlos opportunistischer Untertan wie Manfred Karge als Herzog von York, der nicht nur seinen eigenen Sohn bereitwillig ans Messer zu liefern bereit ist, sondern selbiges auch eigenhändig dem im Tower schmachtenden Ex-König ins Herz stößt, kann sich darauf am Ende erst keinen Reim machen.
Die während der einmonatigen Probenzeit in Wien in die alte Inszenierung eingefügten Burgschauspieler erhalten wenig Chance, sich zu profilieren. Martin Schwab, Johannes Krisch und Hans Dieter Knebel bewähren sich immerhin in prägnant voneinander unterschiedenen Mehrfach-Rollen, Dorothee Hartinger muss sich als Königin Isabel vor der Grausamkeit der Politik immer wieder in Ohnmacht flüchten.
Dass Matthias Hartmann in seinem ersten Direktionsjahr mit einigen seiner früheren Erfolgsproduktionen seine Regiehandschrift in Wien vorstellen wollte, ist schön, gut und richtig. Warum er daneben auch an seinen Vor-Vorgänger erinnern wollte, erschließt sich bei diesem “Richard II.” ebenso wenig wie der über die Inszenierung einst niedergehende Preisregen. Glanz von einst, der heute nicht mehr ganz so gülden scheint – das ist fast schon wieder ein Shakespeare-Thema…
“Richard II.” von William Shakespeare
Eine Produktion des Berliner Ensembles
Regie: Claus Peymann, Bühnenbild: Achim Freyer, Kostüme: Maria-Elena Amos.
Burgtheater, Nächste Vorstellungen: 27., 30. und 31. Jänner, Karten: 01 / 513 1 513, http://www.burgtheater.at