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China droht Schweiz wegen Guantánamo-Uiguren

Zwischen der Schweiz und China gibt es diplomatische Unstimmigkeiten wegen der geplanten Aufnahme zweier Häftlinge aus dem berüchtigten US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba. Dabei geht es um muslimische Uiguren aus der Region Xinjiang im äußersten Westen Chinas.
Peking hat vor einer Beeinträchtigung der Beziehungen gewarnt, sollte die Schweiz die Brüder aufnehmen. Der Kanton Jura hat sich zu ihrer Aufnahme bereiterklärt.

Für die chinesischen Behörden sind die beiden Männer separatistische “Terroristen”. Die Sicherheitspolitische Kommission des Schweizer Nationalrats hat sich gegen die Aufnahme von Ex-Häftlingen aus Guantánamo ausgesprochen. Die letzte Entscheidung liegt bei der Regierung. Die Kritik Chinas habe bei der Entscheidung des Parlamentsausschusses mit eine Rolle gespielt, hieß es am Donnerstag in Schweizer Medien. Ende Jänner will sich Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf mit den Behörden des Kantons Jura treffen, um das weitere Vorgehen zu erörtern. Menschenrechtsorganisationen rufen die Regierung in Bern dazu auf, die Uiguren aufzunehmen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sähe ein Nein Berns als “Kniefall vor China”. Amnesty International erinnert daran, dass die beiden Uiguren in China verfolgt würden.

Die “Neue Zürcher Zeitung” (NZZ) berichtete am Donnerstag, die von den USA freigegebenen Akten zeichneten von den betroffenen Uiguren ein Bild angehender Widerstandskämpfer, nicht aber islamischer Fundamentalisten. 2005 erhielten die Brüder laut “NZZ” auf Guantánamo den Status “cleared for release” – zur Freilassung freigegeben. Zurück nach China wollten sie auf keinen Fall. Vor Gericht berichten sie von nach China zurückgebrachten Uiguren, die gefoltert oder erschossen wurden. Der österreichische UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Manfred Nowak, hatte mehrfach gewarnt, den Uiguren drohe bei einer Überstellung an China “Gefahr an Leib und Leben”. Menschenrechtsorganisationen erklärten, Peking nütze den von den USA ausgerufenen internationalen Kampf gegen den Terrorismus aus, um verschärft gegen Regimekritiker und ethnische und religiöse Minderheiten vorzugehen.

Die beiden Brüder aus Xinjiang seien keine Terroristen, sondern zu Unrecht in Pakistan verhaftet worden, erklärte ihre Anwältin Elizabeth Gilson. Peking übe massiven Druck auf die Schweiz aus, damit sie die beiden nicht aufnehme. Sie habe noch nie “eine solch unverhohlene und öffentliche Einflussnahme gesehen.” Die beiden Männer wünschten sich nur, “in Frieden leben zu können und in der Schweiz oder einem anderen europäischen Land zu arbeiten”, sagte Gilson. Die rund acht Millionen Uiguren, ein muslimisches Turkvolk, leben in Xinjiang, wo Peking die Ansiedlung von Han-Chinesen in großem Maßstab vorangetrieben hat. Seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten erstarken panislamische und irredentistische Strömungen, wie die kommunistischen Behörden offen zugeben. Militante uigurische Gruppen kämpfen im Untergrund für einen unabhängigen Staat “Ostturkestan”, wie er in den 1940er Jahren kurzzeitig existiert hat. Die Region ist für Peking von großer strategischer Bedeutung und reich an Bodenschätzen. In Lop Nor entstand Chinas Atomtestgelände.

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