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Wenn die Wüste bebt!

©VN-srt/F.v.Poser
200 Meter hohe Dünen, ein 250 PS starker Allrad-Bolide und ein Fahrer, der Sultan heißt, in Abu Dhabi.
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Aber hoppla, jetzt geht‘s zur Sache! Sultan tritt ins Pedal. Die Tachonadel pendelt bei 80 Stundenkilometern. Wie ein angezählter Boxer taumelt der Toyota hin und her. Droht sich mal hier wie ein Käfer auf den Rücken zu legen, dort wie ein Schlitten aus der Bahn zu geraten. Doch wie von Gotteshand gelenkt hält Sultan den Wagen im Gleichgewicht.

Gasgeben in der Wüste

„Wackelt ganz schön, was?“, grinst der schmächtige Mann in der weißen Dishdasha, dem für die Emirate typischen Umhang, und drückt das Gaspedal bis zum Bodenblech durch. Links und rechts zieht in atemberaubender Geschwindigkeit das Defilee der Dünenkämme vorbei, dahinter nichts als honiggelber Sand.

Mal filigran geschnitten, mal sanft geschwungen, mal wie wilde Gischt wogend, bäumen sich die Sandberge auf, während wir im Fond des Wagens wie Wackelpudding hin- und herschaukeln. Wenn japanische PS und mehrere hundert Meter hohe Dünenkämme zusammenkommen, dann bebt der Wüstenboden in Abu Dhabi.

Ortstermin Liwa-Oase. Freitag, 18 Uhr, 39 Grad. Die Gesetze der Schwerkraft scheinen außer Kraft gesetzt an diesem Nachmittag. Einstein und Newton gehen einem durch den Kopf. Aber das, was Sultan hier abliefert, geht an die Grenze aller schnöden Theorie. Wie in Trance schwappt das Auto über die Dünen, rutscht mal hier in die Tiefe, gleitet mal dort durch den Sand.

Das Dune-Bashing

Dune-Bashing nennen die Einheimischen das Spektakel, bei dem sie ihre Wagen wie beim Autoscooter auf dem Jahrmarkt in voller Fahrt durch das Dünenmeer jagen. Heute ist Sultan der Herr der Dünen: Er entscheidet, welcher Sandhaufen beim Wüstenrodeo als nächster dran ist, welches Manöver als nächstes gefahren wird.

Und er ist der Retter in der Not, wenn sein kleiner Bruder Matar im anderen Wagen mal wieder mit hilflosem Blick hinter dem Steuer klebt, weil sich seine Räder zu tief in den Sand gebohrt haben.

Die Rub-al-Khali-Wüste im Herzen der Arabischen Halbinsel ist mit einer Fläche von 780.000 Quadratkilometern noch vor der Sahara das größte zusammenhängende Sandmeer der Erde. Das Tor zur Wüste sind die Liwa-Oasen. Die 39 Dörfer um den Hauptort Muzairi liegen etwa drei Autostunden südwestlich von Abu Dhabi Stadt und gelten als älteste Oasen-Siedlung der Emirate. 1948 machte schon der berühmte Abenteuerreisende Wilfred Thesiger hier Halt und beschrieb die Schönheit. Mitten zwischen den Dünen bietet die Oase heute riesige Dattelpalmenhaine, Getreidefelder und Kamelherden.

Nacht unterm Sternenhimmel

Es wird Abend. Wir halten noch kurz bei einer Kamelfarm und lassen uns neugierig von den Tieren beschnuppern. Dann suchen wir nach einem geeigneten Dünental für das Nachtlager, denn weder in Abu Dhabi noch sonstwo in den Emiraten gibt es einen Wüstentrip ohne Beduinen-Camp. Binnen Minuten haben die Sultan, Matar und Co. die Zelte aufgeschlagen. Dann blubbert es auch schon in den Kochtöpfen.

Wir sitzen auf einem Teppich zwischen den Dünen. Der Sternenhimmel spannt sich wie eine Scheibe über uns. Datteln gefällig? Hühnchen? Lamm? Kaum ist das Fleisch fertig, steht es auch schon auf dem Tisch. Daneben türmen sich Berge von Reis. Die Grillen zirpen, aus der Ferne dringt das Blöken eines irre gewordenen Dromedars herüber. Man hat in solchen Wüstennächten die Qual der Wahl: Entweder man schwitzt sich im Zelt durch oder man tut es wie die Einheimischen. Wir entscheiden uns für Variante zwei, die Beduinen-Nummer: Man nimmt sich einen Schlafsack und legt sich hinter die nächste Düne. Irgendwo, wo Platz ist. Und davon gibt es in der Wüste genug.

Die Melodie der Wüste

Und was für eine Nacht das dann ist: Man sieht nichts, hört nichts, fühlt nichts. Das Einzige, was der Körper wahrnimmt, ist die ungeheure Strahlkraft der Sterne. Und das Rauschen des Bluts in den Ohren. Für uns ist es einfach die Melodie der Wüste. Als wir am nächsten Morgen wieder im Auto sitzen, nieselt es. Und wenn die Elemente Wasser und Sand aufeinandertreffen, macht das die Wüste zu einem riesigen Schlamassel. Der gestern noch puderweiche Untergrund hat sich in einen schleimigen Brei verwandelt. Der klebt überall: an den Reifen, an den Scheiben, an den Schuhen, ja selbst an der Kamera. Sultan hindert das nicht daran, noch ein paar Dünenberge im Vorbeigehen mitzunehmen. Düne hoch, Bleifuß. Düne runter, Gas weg. Dann hoppeln wir zurück in Richtung Teerstraße. Noch beim Aufpumpen der Reifen ist uns schwindlig von dem Geschaukel. „Fast wie auf einem Schiff hier“, sagt Martin. Auch ich bin quasi sandkrank.

Man verlässt die Wüste nach einem Tag als Beduine auf Zeit als demütiger Mensch. Die endlose Weite, das Dünendinner, die Sternennacht im Schlafsack: Als Mitteleuropäer hat man einen wüsten Extremismus durchgestanden. Vor allem die Stille ist es, die einem in Erinnerung bleibt. Das Rauschen in den Ohren hält noch eine Weile an. Bis mit hundert Sachen der erste Laster an einem verbeirauscht. Spätestens jetzt ist klar: Die Zivilisation hat uns wieder eingeholt.

Die Liwa-Oasen in der Riesenwüste Rub-al-Khali

Die Liwa-Oasen sind der Geburtsort der Herrscherfamilien von Abu Dhabi und Dubai. Die Dörfer der Liwa-Oase sind die südlichsten Ansiedlungen des Emirats Abu Dhabi und der Vereinigten Arabischen Emirate. Die südliche Grenze zu Saudi-Arabien, die in einer Entfernung zwischen 16 und 35 km südlich des Oasengebiets verläuft, ist eine gerade Linie in der Rub-al-Khali-Wüste.

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Dörfer bilden die Liwa-Oase, die rund 100 km südlich der Küste des Persischen Golfs am nördlichen Rand der Wüste Rub-al-Khali liegt. Die Oase erstreckt sich rund 100 km in Ost-West-Richtung, entlang eines nach Norden gewölbten Bogens. Das geographische und wirtschaftliche Zentrum der Oase ist Muzairi.

Offroad-Abenteuer in den Dünenkämmen

Die Sonne hängt schräg über den Dünenbergen, als Sultan unter dem Wagen liegt. Irgendwo hat sich eine Schraube gelöst, doch für den Spezialisten ist die Reparatur ein Kinderspiel. Schnell ist die Metallplatte wieder angeschraubt. Nur Augenblicke später geht der Wahnsinn weiter: Sultan hat die höchste Düne weit und breit ausgemacht. „It‘s a bitch“, sagt er.

Dann stehen wir auch schon vor dem mächtigen Dünenkamm. Gut 200 Meter mögen es da hoch sein. Trotz Aircondition rollen dem 34-Jährigen dicke Schweißperlen über die Stirn. „Keine Sorge, der Sand ist weich, ist alles gut gepolstert.“ Noch einmal nimmt der Wagen Anlauf. Der Toyota japst nach Luft.

Im schwerelosen Raum

Für einen Moment hängen unsere Mägen im schwerelosen Raum. Schreie auf der Rückbank des Wagens. Der Toyota reckt seine Nase erst gen Himmel, dann in Richtung Erde, um im nächsten Moment sanft die Düne hinabzugleiten. Doch statt geradeaus zu fahren, schlingert das Auto gegen die Laufrichtung der Räder zu Tal. Spätestens am Fuß der Düne ist klar: Das, was Sultan hier abliefert, ist echte Kunst.

Luxus pur im Emirates Palace

Mit dem Emirates Palace steht eines der besten, teuersten und luxuriösesten Hotels der Welt in Abu Dhabi. Die palastartige Luxusherberge ist auf jeden Fall eine Besichtigungstour wert.

Auf dem Highway in die Rub-al-Khali

Anreise. Wer von Abu Dhabi kommt, dem kommt die Liwa-Oase wie eine Fata Morgana vor. Vierspurig schiebt sich die Schnellstraße E65 über die Dünenberge, bis leuchtend grün die Oase auftaucht.

Im Sommer wird es sehr heiß

Wüstentouren sind das ganze Jahr über möglich – im Sommer ist es mit bis zu 50 Grad in der Wüste allerdings sehr heiß. Die angenehmsten Reisemonate: September bis Dezember bzw. März bis Mai.

Reiseinfos:

Anreise: Mit Etihad Airways ab etwa 350 Euro inklusive Steuern und Gebühren von München in sechs Stunden nach Abu Dhabi. Von dort in weniger als drei Stunden mit dem Auto nach Liwa. Auch Lufthansa, Emirates und Gulf Air fliegen die Emirate an.

Wüstentouren: Eine geführte Wüstentour kostet mit Verpflegung, Dune-Bashing, Übernachtung im Zelt und Transport je nach Programm ab etwa 60 Euro pro Person/Tag, z.B. bei Phoenix Travel and Tourism (www.phoenix-emirates.com/web_eng/exc_dunesafari.htm), Desert Adventures (www.desertadventures.com) und Net Tours (www.nettoursdubai.com).

Weitere Infos: Abu Dhabi Tourism Authority, Goethestr. 27, 60313 Frankfurt, Tel. +49 69 29925392-0, E-Mail: germany@adta.ae, Internet: www.visitabudhabi.ae (auch auf Deutsch).

VN-srt/F.v.Poser

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