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Von wegen altes Gemäuer

©VMH/ Uher
St. Gallenkirch - Ganz unspektakulär fügt sich die traditionelle Fassade des "Tschuga Hus" in die winterliche Landschaft von St. Gallenkirch.
Zeitwandel im Montafonerhaus

Kein Wunder, darin haben die von der Witterung schwarz gewordenen Latten viel Übung. Denn sie tun das seit Jahrhunderten. Ein Teil von ihnen schon seit 1399. Das ergab die dendrochronologische Untersuchung, die der Heimatschutzverein Montafon vor der Sanierung und Revitalisierung durchführte. “Die entnommenen Bohrproben ergaben ein Fälldatum von 1399, das letzte Wachstumsjahr wurde mit 1398 datiert”, freut sich Klaus Netzer über das Ergebnis. Der 55-jährige Montafoner ist der stolzer Besitzer des historisch wertvollen Schmuckstückes. Ein Familienerbe, in dem der Hotelier und langjährige Skilehrer nicht nur aufwuchs, sondern auch das Licht der Welt erblickte.
So wie vor ihm auch Josef Tschofen, der in Wien als Polizeioberst Karriere machte. Oder Anna Maria (Amrei) Tschug, nach der das Montafonerhaus seinen Namen trägt. Sie wurde im Lawinenwinter 1892 auf einem Maisäß in Gargellen verschüttet. Die damals einjährige lag in der Wiege, als die Katastrophe passierte. Sie konnte jedoch gerettet werden. Ihre Enkeltocheter, Zezilia Ganahl heiratete dann 1948 den Tschaggunser August Netzer, Vater von Klaus Netzer. Das “Tschuga Hus” ist eines der ältesten Gebäude in St. Gallenkirch. Sowohl der Bauherr als auch der verantwortliche Baumeister Christoph Kleboth zeigten bei der Sanierung einen großen Respekt vor der 600-jährigen Geschichte. Die große Herausforderung bestand darin, einen Spagat zwischen Erhaltung der ursprünglichen Bausubstanz und den heutigen Ansprüchen zu ziehen. “Wir haben zum Beispiel Stück für Stück der alten Fassade gelöst”, erzählt Netzer, der als Selfmademan mitanpackte, wo er konnte. “Dann wurde die Dämmung angebracht und die inzwischen restaurierte Holzverkleidung wieder befestigt.” Dadurch ging nichts von der Ursprünglichkeit des Hauses verloren. Doch nicht alles hält inne, was es von außen verspricht. So entpuppt sich der ehemalige Schopf als modernes Esszimmer der Extraklasse. Natürlich nicht ohne Flatscreen. Denn Skirennen läst der begeisterte Brettl-Anhänger keines aus. Schließlich ist Netzer mehrfacher Weltmeister im Slalom und Super-G. Derzeit amtierend in der Seniorenklasse. Das Esszimmer, das sich Richtung Bergpanorama öff net, ist nicht nur lichtdurchfl utet, es vermittelt durch die raumhohe Fensterfront das Gefühl, als säße man mitten in der Natur. Der Raum ist jedoch nicht nur kulinarisch vielversprechend, sondern auch eine Augenweide. Nirgendwo im ganzen Haus kommt das Spannungsfeld zwischen Alt und Modern besser zum Ausdruck. Die Natursteinwände, einst von den Vorfahren mühevoll trocken gemauert, sind heute ein wundervoller Blickfang und verleihen dem ehemaligen Schopf einen edlen Charakter. Komplett in seiner Ursprünglichkeit erhalten blieb hingegen die Montafoner Stube.
Netzer hat bei der Sanierung viel Wert auf Details gelegt. Ein Beispiel sind die Lichtschalter. Allesamt Drehschalter aus Porzellan, nach dem Vorbild von anno dazumal. “Die habe ich eigens fertigen lassen”, verrät der Hausherr.

DATEN & FAKTEN

“Tschuga Hus”, St. Gallenkirch

Klaus Netzer

Wohnfläche: 160 m²

Grundstück: 614 m²

Architektur: Planender Baumeister Christoph Kleboth, Kleboth Bau360, Bludenz

Bauhistorische Aufnahme: Heimatschutzverein Montafon und Kulturgüterdatenbank Montafon

Planung: August 2008 bis März 2009

Bauzeit: Mai 2009 bis Oktober 2009

Energie: Erdwärmepumpe mit Tiefenbohrung

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