Der 43-jährige Beamte muss sich in einem auf drei Tage anberaumten Verfahren wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen verantworten. Zu Beginn der Verhandlung bekannte sich der Polizist “nicht schuldig”.
Die Anklage legt ihm zur Last, “zumindest irrtümlich” einen Angriff auf seine Person angenommen und “in Furcht oder Schrecken” von seiner Dienstwaffe Gebrauch gemacht zu haben. Damit hat er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft “das gerechtfertigte Maß der Verteidigung” überschritten. Im Fall eines Schuldspruchs drohen dem 43-Jährigen bis zu drei Jahre Haft.
Der 43-jährige Beamte legte dar, er wäre von einem Fehlalarm ausgegangen, als er mit seiner Kollegin zum Supermarkt gerufen wurde. Als er im dunklen Verbindungsraum vom Fleischanlieferungs- zum Verkaufsraum plötzlich zwei vermummte Gestalten im Lichtkegel seiner Taschenlampe wahrnahm, sei er “total erschrocken”. “Ich war in Gedanken schon wieder draußen. Da sind plötzlich zwei Personen gehockt. Ich habe gesehen Kapuze, Vermummung, nur die Augen”, schilderte der Angeklagte.
Die Gestalten wären “aufgesprungen, in unsere Richtung. Einer hatte einen Gegenstand über dem Kopf”. Florian P., der eine Gartenharke dabei hatte, habe ihn “angegriffen”. Da habe er sich entschlossen, einen Warnschuss in die Ecke abzugeben, während seine Kollegin auf Roland T. feuerte, über den der Richter meinte, es wäre “höchst unwahrscheinlich, dass der etwas Waffenähnliches in der Hand gehabt hat”: Der Schraubenzieher, den Roland T. eingesteckt hatte, fand sich noch in seiner Jacke, nachdem der damals 16-Jährige niedergeschossen worden war.
Beide vermummten Jugendlichen liefen aus dem Gang in den Verkaufsraum, wo Roland T. unmittelbar nach der Tür zu Boden ging: Die Beamtin hatte ihm mit einem Projektil beide Oberschenkel durchschossen. Während die Frau wie angewurzelt stehenblieb, folgte ihr Kollege Florian P., der sich im Verkaufsraum hinter einer Palette versteckt hatte.
“Sie dürften unter Adrenalin gestanden sein, kann man das so sagen. Sie sind in den Fight übergegangen”, kommentierte der Richter dieses Verhalten. “Ich wollte nur raus. Aus Angst. Ich habe in mir das Gefühl gehabt, ich muss da raus. Ich habe Furcht und Angst gehabt”, erwiderte der Polizist.
Der Richter machte deutlich, dass er dem nicht glaubte: “Ich behaupte: Sie waren auf Kampf. Sie waren auf Adrenalin und sind dem nachgegangen. Warum sagen’s nicht einfach, sie wollten die festnehmen und sind mit gezogener Dienstwaffe nach? Keiner verlangt ja von einem Polizisten, dass er sich im Fleischraum verkriecht. Könnte man auch sagen, Sie waren auf der Jagd?” Der Beamte verneinte mit Bestimmtheit: “In diesem Zeitpunkt wollte ich niemanden verletzen.” Er habe “Furcht und Angst vernommen”.
Unmittelbar vor Abgabe des tödlichen Schusses will der angeklagte Polizist “von einem Geräusch, einem Schatten” im Bereich der Wursttheke abgelenkt worden sein. Das hatte er bei der Tatrekonstruktion angegeben und wiederholte er nun auch vor dem Richter. Im Unterschied zu seiner seinerzeitigen Angabe, derzufolge er sich nach rechts umgedreht – und damit ohne Florian P. anzusehen auf diesen geschossen habe – behauptete der Beamte jetzt aber, er habe bloß einen “Augensprung” gemacht, weil er mit einem Angriff von möglichen weiteren Komplizen der beiden Einbrecher gerechnet habe.
“Wo wollten Sie ihn treffen?”, wollte Hohenecker wissen. “Wenn, im unteren Bereich”, erwiderte der 43-Jährige. Getroffen wurde der Bursch allerdings in der Lunge, wobei er dem Beamten den Rücken zugekehrt hatte. “Einen halben Meter daneben schießen, wie geht das?”, wunderte sich der Richter. “Das kann ich mir nicht erklären”, sagte der Polizist.
Mit Gutachten ging erster Verhandlungstag zu Ende
Der erste Verhandlungstag ist am Mittwochabend mit den Ausführungen des Gerichtsmediziners Christian Reiter und des Schießsachverständigen Ingo Wieser zu Ende gegangen. Wie der Ballistiker darlegte, dürfte der 14-Jährige dem Beamten mit ziemlicher Sicherheit den Rücken zugekehrt haben, als er von der Kugel getroffen wurde.
“Es spricht eher dafür, dass er bei der Schussabgabe schon umgedreht war”, meinte Wieser hinsichtlich der Position des Burschen. Außerdem war Florian P. “eher einen Schritt weg vom Polizisten”, so der Sachverständige, der damit die Darstellung des Angeklagten von einem neuerlichen Bedrohungsszenario nicht unbedingt stützte.
Florian P. wurde aus einer Entfernung von 1,8 bis zwei Meter in den Rücken getroffen, wobei der Schuss im Stehen abgegeben wurde. Das Projektil drang in einer Höhe von 1,29 Meter in den Körper des Jugendlichen ein und durchschlug einen Lungenflügel. Als Todesursache nannte der Gerichtsmediziner “Verbluten und Ersticken”.