Im April 2004 streifte ein Auto die damals 72-jährige Radlerin. Die Lauteracherin war auf der Weingartenstraße unterwegs nach Hause. Dazu wollte sie sich links einreihen, um in weiterer Folge links abzubiegen. Allerdings schaute sie zuvor nicht zurück und gab auch keine Handzeichen. Tragischerweise überholte sie genau in jenem Augenblick ein Pkw, der damit beschäftigt war, ein anderes Auto abzuschleppen. Alles ging gemächlich vor sich. Die Radlerin fuhr rund zehn km/h. Der Schleppzug war auf keinen Fall schneller als 40 km/h. Der Abschleppende, ein 30-jähriger Fußacher streifte die Radlerin leicht. Der Abgeschleppte touchierte die Frau. Sie kam zu Sturz und fiel so unglücklich auf den Kopf, dass sie schwerste Schädelverletzungen davontrug.
Wachkoma
Die Flugrettung brachte die Pensionistin nach Feldkirch ins Spital. Doch was die Ärzte auch versuchten, das Schädel-Hirn-Trauma war so schwer, dass die Verunglückte nicht mehr zu sich kam. In scheinbar wachem Zustand liegt sie nun seit fünf Jahren auf einer speziellen Station des Landeskrankenhauses in Rankweil. Wie lange sie dieses Schicksal noch ertragen muss, weiß niemand. Matthias Kucera, Anwalt und Sachwalter der Frau, vertrat die Ansicht, dass auch diesem Unfallopfer eine Entschädigung zusteht. Auch Komapatienten haben Anspruch auf Schmerzengeld so der Harder Rechtsvertreter. Das Verfahren ging durch zwei Instanzen. Nun wurden der Frau 90.000 Euro Schmerzengeld zugesprochen. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Autofahrer auch für künftige Schäden bis zu einer Höchstgrenze von 292.000 Euro haftet. Weder straf- noch zivilrechtlich kann man dem damals 30-Jährigen einen Schuldvorwurf machen. Davon unabhängig traf den Autolenker hier die Härte eines Spezialgesetzes, das daran anknüpft, dass man allein durch das Autofahren selbst andere gefährdet. Die Latte, hier einer Haftung zu entkommen, liegt immens hoch.
Keine Schuld
Das Gericht ging ohnedies davon aus, dass die Frau den Unfall zu 50 Prozent selbst zu verantworten hatte. Aber der besonders aufmerksame Autofahrer hätte die leicht schwankende Frau auf der schmalen Straße nicht überholt. Dass es diesen besonders aufmerksamen Autofahrer in der Praxis kaum gibt, stört die Rechtsprechung nicht. Man haftet, obwohl man von jedem Verschulden freigesprochen wird. Das Urteil ist rechtskräftig.
Auch Komapatienten haben Schmerzen
Rechtsanwalt Matthias Kucera zu Schmerzengeld
Welchem Zweck dient das Schmerzengeld?
Matthias Kucera: Üblicherweise stellt das Schmerzengeld eine Entschädigung für entgangene Lebensfreude und erlittene Schmerzen dar.
Die Komapatientin zeigt keine Reaktion auf Schmerzreize. Trotzdem Schmerzengeld?
Matthias Kucera: Ja. Auch wenn bislang wissenschaftlich nicht nachgewiesen ist, dass diese Patienten Schmerzen empfinden, wird das Schmerzengeld auch in solchen Fällen zugesprochen. So gebührt Entschädigung, obwohl man weder Schmerz noch Wohlbefinden wahrnehmen kann? Matthias Kucera: Ja, auch wenn der Betroffene, wie in diesem Fall die 78-jährige Frau nie mehr in der Lage sein wird, mit dem Schmerzengeld einen Ausgleich für die entgangene Lebensfreude und die erlittenen Schmerzen zu finden. Ihm wurde die Erlebnisfähigkeit genommen und dies gilt ebenso als Nachteil wie die Beeinträchtigung durch Schmerzen.