Clinton Graham: "In Wien wurde ich nicht verstanden"

Vienna Online: Clinton, du hast eben dein erstes Spiel gegen ein ehemaliges Team in deiner Karriere gemacht. Wie war es gegen die Vikings?
Clinton Graham: In erster Linie war ich glücklich, wieder viele der Vikings-Fans zu sehen. Sie sind echte Fans und Freunde und haben mich meinen drei Saisonen in Wien unterstützt als es mir gut ging und natürlich auch als es mir schlechter ging. Viele dieser Menschen haben mich positiv geprägt. Ich habe auch noch einige Freude in der Mannschaft. Es war schön diese tollen Menschen wieder zu sehen.
Zum Spiel: Es war ein hartes Spiel. Durch den Regen hat es leider sehr gelitten. Wir haben gekämpft aber es hat für uns nicht gereicht. Das ist für uns sehr bitter. Aber so ist der Sport. Wir sind nicht nach Wien gekommen um zu verlieren. Aber es ist trotzdem schön zu sehen, dass wir an unsere Chance geglaubt haben und um den Sieg gekämpft haben.
Vienna Online: Von außen hat es so gewirkt, als wäre die Vikings-Verteidigung besonders gut auf dich eingestellt gewesen. Es hat sehr intensiv gewirkt. Wie war es für dich?
Clinton Graham: Schau, wir spielen Football. Körperkontakte gehören dazu. Ich liebe es, wenn es zur Sache geht. Ich bin ein ehemaliger Spieler der Vikings. Natürlich war es mir klar, dass der Gegner besonders auf mich aufpasst. So gehört es sich ja. Wir wollen gewinnen die Vikings wollen gewinnen. Das ist Sport! Natürlich habe ich eine Art Zielscheibe auf meinem Rücken. Aber das ist der Sport das ist normal so.
Vienna Online: Stichwort Emotionen. Du hast vor der Saison davon gesprochen. Wie war es für dich?
Clinton Graham: Ganz ehrlich: Es war ein ziemlich verrücktes Gefühl für mich. Denn ich bin es noch nicht gewohnt, als Gegner nach Wien zu kommen. Es war für mich wie eine Art heimkommen. Ich bin vor dem Spiel von so vielen Leuten sehr herzlich begrüßt worden. Das waren für mich Emotionen. Positive Emotionen. Alles andere was geschrieben und gesagt wird ist mir relativ egal. Ich bin jetzt ein Mitglied der Prag Panthers, eine neue Art Familie. Meine Mannschaftskollegen in Prag verstehen mich als Teamkollegen und Menschen. Das war bei den Vikings wohl nicht immer der Fall. Aber ich werde Wien und viele Leute hier niemals vergessen. Besonders weil diese Menschen immer ehrlich zu mir waren.
Vienna Online: Die Prag Panthers spielen heuer die erste Saison in der AFL. Wie war die Saison aus deiner Sicht bislang?
Clinton Graham: Ich vergleiche es gerne mit dem College System in den USA. Die tschechische Liga ist, bei allem Respekt, die Division zwei oder drei. Die AFL ist die Division eins. Die Top-Liga, in die alle hinwollen. Die Geschwindigkeit der Spielzüge ist in Tschechien bei weitem nicht so hoch wie in der AFL. Daran mussten wir uns erst gewöhnen. In den Spielen die wir verloren haben wäre aber auch ein Sieg möglich gewesen. Ich denke wir können stolz auf unsere Leistungen sein. Denn in der Regel ist es so. Steigst du in eine neue Liga ein kassierst du herbe Niederlagen und bist überfordert. Das war bei uns heuer definitiv nicht der Fall. Wir müssen uns einfach noch besser an die Geschwindigkeit gewöhnen. Die Prag Panthers haben eine großartige Zukunft vor sich.
Vienna Online: Clinton, lass uns mal den Sport kurz beiseite legen. Was bedeutet dir Wien. Welchen Stellenwert hat die Stadt hat Österreich in deinem Leben?
Clinton Graham: Ich hatte drei wunderschöne Jahre in Wien. Ich habe Freunde fürs Leben gefunden. Ich traue mich sogar sagen, dass es sich hier um eine Art Ersatzfamilie handelt. Das wirft man nicht so einfach beiseite nur weil ich jetzt nicht mehr für die Vikings spiele. Ich bin sehr dankbar noch immer für die zahlreichen Emails oder Facebook-Kontakte, die aus Wien kommen. Die Fans in Wien haben mich immer großartig unterstützt. Sie waren loyal zu mir, und ich schätze das sehr. Es gab sogar Fans und Freunde aus Wien, die sind zum Berlin-Spiel gekommen um mich zu sehen. Das werde ich niemals vergessen. Ein großartiges Gefühl. Daher versuche ich auch so oft wie möglich mich mit diesen speziellen Menschen zu treffen. Sie geben mir so viel und ich versuche Ihnen ein ähnlich positives Gefühl zurückzugeben. Denn sie haben sich die Mühe gemacht den echten Clinton Graham kennen zu lernen. Es gibt Leute in Wien, die es mir vielleicht falsch auslegen, dass ich mich nach einem Spiel schöner kleide. Okay, das ist so. Ich werde mich aber nicht verändern. Auch nicht für die Medien. Die Teamorganisation der Vikings war jedoch nicht immer loyal zu mir. Aber das ist vielleicht auch ein Teil des Geschäfts. Ich möchte aber erwähnen, dass ich nach wie vor Freunde innerhalb der Mannschaft habe. Da sind großartige Charaktere darunter.
Vienna Online: Du hast die Medien angesprochen. Was hat dich an den Medien rund um die Vikings gestört oder stört dich immer noch?
Clinton Graham: Einige Medien haben einfach falsche Geschichten über mich veröffentlicht. Die Kronen Zeitung zum Beispiel hat eine Story gebracht, dass ich in meine eigene Wohnung in Wien eingebrochen hätte. Das war nicht so. Fragt nach bei Vikings Präsident Karl Wurm oder bei Manager Alfred Neugebauer. Oder holt euch den Polizeibericht. Mir ist es egal. Ich weiß, dass ich an diesem Abend versucht habe viele zu erreichen – aber mir hat keiner geholfen. Diesen Teil der Wahrheit wissen nur wenige – oder wollen nur wenige wissen. Mich hat kein Medienvertreter angerufen oder eine Mail geschickt. Niemand hat es interessiert, wie es wirklich war. Als ich für die Zeitungen meinen durchtrainierten, nackten Oberkörper präsentiert habe – da war alles cool? Da war ich gut genug?
Mich stört aber mehr, dass geschrieben wurde, ich wäre ein schlechter Teamkollege gewesen also ein egoistischer Einzelgänger. Dem ist nicht so. Ich habe immer alles gegeben, damit wir erfolgreich sind. Mein letztes Spiel in Innsbruck ist ein gutes Beispiel. Ich war verletzt. Ich habe alles getan um halbwegs wieder fit zu werden, um den Team zu helfen. Mich ärgert es bis heute, dass wir dieses Spiel verloren haben. Okay, ich habe einen Fehler: Ich halte es nicht an der Seitenlinie aus. Ich unterstützte die Defense lautstark oder habe verletzt gespielt. Das soll ein schlechter Teamspieler sein? Nenn’ es verrückt, wenn du willst. Aber sind das Merkmale von einem egoistischen Einzelgänger?
Vienna Online: Clinton, wenn du die Möglichkeit hättest, eine Headline oder eine Geschichte seit deinem Abgang von den Vikings zu verändern – welche wäre das?
Clinton Graham: Ich würde ändern, dass ich kein guter Teamkollege, kein Spieler mit gutem Teamgeist bin. Das ist einfach falsch. Ich arbeite immer hart an mir. Ich beginne mit meinem Fitnessplan mit der Saisonvorbereitung spätestens im August. Für mich ist der Sport auch gleichzeitig ein Geschäft. Ich muss meine Familie daheim ernähren. Ich verdiene keine Millionen Dollar wie in der National Football League. Ich betreibe den Sport sehr ernst. Ich habe einen Plan, denn ich kann nicht ewig Footballspielen. Ich möchte immer der Beste sein. Auch, als ich in der Saison 2008 fast zur Gänze verletzt war: Ich habe immer alles für das Team gegeben. Persönliche Statistiken sind mir egal.
Vienna Online: Hast du negative Emotionen oder Gefühle wenn du an die Zeit in Wien zurückdenkst?
Clinton Graham: Nein, überhaupt nicht! Mich hat einfach diese falsche, einseitige Berichterstattung erregt. Denn so bekommen Menschen von mir ein völlig falsches Bild und das ist für mich nicht akzeptabel. Aber ich denke, dass sich auch die Vikings hinterfragen müssen. Wenn sich langjährige Spieler vom Team verabschieden und wechseln, dann bin ich nicht der Schuldige oder der Verrückte. Frag nach bei Gregor Pachmann, Pasha Asiladab oder bei Michael Werosta. Ich brauche das ganze Drama um meine Person nicht. Die ganzen Diskussionen, dass ich zurückgekommen bin. Ich bin nicht mediengeil oder muss meinen Körper in der Zeitung sehen. Ich werde Wien immer in guter Erinnerung behalten. Ich habe hier tolle Menschen kennenlernen dürfen. Das ist für mich wichtiger als ein Touchdown oder ein Sieg auf dem Spielfeld.
Vienna Online: Du bist mit deinem Fitnessprogramm Snitts seit längerer Zeit online. Wie geht es dir geschäftlich?
Clinton Graham: Danke der Nachfrage! Es geht mir dabei sehr gut. Das Wachstum von Snitts hält an. Wir sind im Moment bei etwa zehn Prozent der Endausbaustufe. Momentan laufen Verhandlungen mit potentiellen Investoren und Interessenten. Dank Skype und Telefon ist dies auch aus Europa möglich. Wir sammeln im sehr viel Feedback unserer User. Im Sommer sollte das Projekt im Endausbau im Netz sein. Wir bieten Fitnesspläne umsonst an. Viele Menschen haben zu Zeiten der Wirtschaftskrise einfach keine freien Mittel um sich für viel Geld einen Fitnessplan erstellen zu lassen. Jeder kann gratis meine Erfahrung nützen.
Vienna Online: Die Karriere nach deiner Sportkarriere macht also guten Fortschritt?
Clinton Graham: Ja, das Projekt liegt mir am Herzen. Denn ich will die Fitnesswelt verändern. Denn nichts schöner als Menschen gesünder und fit zu machen. Snitts soll den Menschen die Voraussetzung bieten.
Vienna Online: Bleibt der Businessgedanken weiter, dass Snitts von seinen Kunden kein Geld für die Erstellung der Fitnesspläne verlangt?
Clinton Graham: Genau darum geht es. Ich will kein Geld vom User haben. Fitness ist nichts nur für die reichen Menschen. Mein Ziel ist es, dass Fitness für jeden zugänglich ist. Denn es ist die Information und das Wissen was du für Fitness benötigst bieten wir jedem an. Gratis! Wer mir nicht glaubt soll es einfach ausprobieren. Das Angebot gilt natürlich auch für Vikings-Spieler, Vikings-Fans – und sogar für Journalisten (lacht).