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Causa Zogaj: Amnestie für als Kinder gekommene Integrierte

Die Politik dürfe sich nicht hinter der Justiz verstecken - trage sie doch die Verantwortung für eine Stimmung, in der Fremde nur als Problem gesehen und "Asyl" mit "Missbrauch" verknüpft wird. Das stellten die im Menschenrechtsbereich aktiven Juristinnen Barbara Helige, Nadja Lorenz und Maria Wittmann-Tiwald Freitag zum "Fall Arigona Zogaj" fest.

Sie deponierten Forderungen: Eine Amnestie-Regelung für als Kinder gekommene, integrierte Menschen, eine Aufenthaltsregelung für “Uraltfälle” und Asyl- und Fremdengesetze, die menschenrechtlichen Aspekten Rechnung tragen.

Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) in der Causa Zogaj ist aus Sicht aller drei Juristinnen selbstverständlich zu respektieren. Aber “ich habe den Eindruck, dass sich die Politik hinter dieser Höchstgerichts-Entscheidung versteckt”, kritisierte Wittmann-Tiwald, Vorsitzende der Fachgruppe Grundrechte in der Richtervereinigung. Für Lorenz – Vorsitzende von SOS Mitmensch und Asylanwältin – war nichts anderes zu erwarten, wenngleich der VfGH Spielraum gehabt hätte.

Dem VfGH könne nicht die politische Verantwortung für Leben und Aufenthalt aller Fremden überantwortet werden, stellte Helige, Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte, fest. “Die gesellschaftliche Linie geben andere vor”: Von der Politik, transportiert von den Medien, werde permanent eine Diskussion geführt, in der “Fremde als Problem identifiziert” und “Asyl” in einen nahezu unauflöslichen Kontext mit “Missbrauch” gebracht wird. Die verhängnisvolle Folge seien ständig verschärfte Gesetze – und entsprechende Entscheidungen der Behörden und Gerichte.

Diese treffen auch die “Traumatisierten, Gefolterten, vergewaltigten Frauen”, die oft lange auf Entscheidungen warten – die dann nicht selten nicht gesetzes- oder verfassungskonform ausfallen oder “auch einfach ungerecht, wo es sich die Gesellschaft leisten könnte, anders zu handeln”, merkte Lorenz an. Die Gesetze seien nach sieben teils gravierenden Novellen in zehn Jahren “kaum mehr anwendbar” – und viele Verfahren würden sehr lange dauern. So in einem Fall, wo die Entscheidung über einen einzigen Asylantrag erst nach 12,5 Jahre fiel.

Um die Verfahren kürzer und fairer zu machen, plädierte Helige dafür, in Uraltverfahren ab einer gewissen Grenze Menschen die Möglichkeit zu geben, hier zu bleiben. Indem die Politik “einmal großzügig handelt”, könnte man vom Asylgerichtshof den Druck der vielen alten Akten nehmen.

Zumindest für als Kinder nach Österreich gekommen Menschen, die hier die Schule besucht haben, aufgewachsen und jetzt integriert sind, hält Wittmann-Tiwald eine Amnestie-Regelung für angebracht. Solche gebe es, teils recht großzügig, in mehreren Bereichen, z.B. im Steuerrecht oder auch bei strafrechtlichen Verurteilungen. Es sei die Verantwortung der Politik, in einer verfahrenen Sache – wie jener der Zogajs – einen rechtmäßigen Aufenthalt zu ermöglichen. Die UN-Kinderrechtskonvention schreibe besondere Fürsorge und Unterstützung für Kinder vor, die EU-Grundrechts-Charta verlange, dass das “Wohl des Kindes” bei allen Maßnahmen öffentlicher Stellen und privater Einrichtungen eine “vorrangige Erwägung” sein muss.

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