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Alles ist Schauspiel

©Bettina Louise Haase
Die Arena von Verona bietet im Sommer alljährlich die berühmten Opern-Festspiele.
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Es geht los. Regencapes werden raschelnd in die Sitze gedrückt, Handys ausgeschaltet, Sitzkissen wieder auf die Stühle geschoben. Die großen Seitenscheinwerfer werfen nur noch schwaches Licht in den Innenraum. Dann ist es dunkel. Nur ein Lichtstrahl ist direkt auf einen steinernen Seiteneingang des uralten Theaters gerichtet. Da erscheint er und wird von den Rängen mit „Maestro, Maestro“ begrüßt.

Vor 22.000 Zuschauern
Dirigent Pier Giorgio Morandi schreitet von der Seite der Arena von Verona zu seinem Pult, geleitet von einem Begleiter. Die rund zweiundzwanzigtausend Menschen in der ausverkauften Arena halten den Atem an. Es ist mäuschenstill. Er hebt den Taktstock und dann beginnt das Spektakel. Alles ist hier Schauspiel. Es beginnt schon am frühen Abend, wenn die Zuschauer aus allen Ecken der Stadt auf der Piazza Brà eintreffen. Man trägt lange farbige oder schwarze Abendkleider, die Herren Anzüge. Sehen und gesehen werden gehört auch hier dazu – das Opernpublikum liebt es, vor der Aufführung durch die Stadt zu schlendern und sich in einem der Cafés, wie beispielsweise im Liston Dodici auf der Piazza Brà, bei einem Spritz auf den Abend einzustimmen. Kurz vor Beginn wird das Treiben auf der Piazza hektischer, Händler mit Wasserflaschen und Wein schieben sich mit den Zuschauern vor die Eingänge der Arena. Reißenden Absatz finden die aufblasbaren Sitzkissen für einen Euro.

Das Publikum geht mit
Dann, wenn alle ihre Sitzplätze eingenommen haben, die einen auf den dunkelroten Poltrone in den ersten Reihen, die anderen auf den Rängen mit Luftsitzkissen, geht das Schauspiel los. Die Aufführung wird in der Folge immer wieder unterbrochen von frenetischen Rufen aus dem Publikum – es ist eben diese Begegnung zwischen der Arena und ihrem Publikum, die Verona so einzigartig macht. Der Dirigent führt das Publikum und seine Schauspieler durch die Oper, und lässt, wenn es danach verlangt, auch Arien doppelt singen. Trotz der nicht optimalen Bedingungen für eine Opernaufführung (zwischen dem Dirigentenpult und den Sängern auf der Bühne liegen 30 bis 40 Meter) ist es die Atmosphäre, die in Verona so besonders ist. Der Zauber der Arena ist derart suggestiv, dass der Musikgelehrte Teodor Celli schrieb: „Wenn man in die Arena kommt, um einer Opernaufführung beizuwohnen, hat man immer ein wenig den Eindruck, ein Fabelreich zu betreten.“

Früher Gladiatorenspiele
In früheren Jahrhunderten war die Arena Schauplatz für Gladiatorenspiele, im Altertum für Jagden und Turniere, im Mittelalter und im 16. und 17. Jahrhundert sogar für Kämpfe zwischen Stieren und Windhunden. Seit nun fast 100 Jahren (1913 wurde die erste Oper aufgeführt) gibt es die Stagione lirica nell’Arena di Verona mit fünf verschiedenen Opernaufführungen pro Saison. Das Verdi-Repertoire bestreitet den Löwenanteil.
Die Arena von Verona ist das drittgrößte Amphitheater Italiens nach dem Kolosseum und dem Theater von Capua in Kampanien. Aber in keinem anderen Theater der Welt erreicht die Anteilnahme der Massen einen so hohen Grad von Spannung und spontanem Mitgehen. Einmal wenigstens im Leben sollte man eine Oper in der Arena erlebt haben.
Verona hat natürlich auch abseits der Oper einiges zu bieten. Die von der Etsch umschlungene Altstadt besichtigt man am besten zu Fuß. Den schönsten Blick über die Stadt hat man von der Torre die Lamberti, gleich neben der Piazza delle Erbe. Und dann gibt es natürlich den berühmtesten Balkon Italiens, den von Romeo und Julia.

Der Romeo-und-Julia-Balkon
Julias Haus, das Stammhaus der Capuleti mit dem Balkon, ist in der Via Cappello zu sehen, das angebliche Haus Romeos befindet sich in der Via Arche Scaligere, Julias Grab vermutet man im Kreuzgang der Kirche San Francesco in der Via del Pontire. Der Stoff der beiden Liebenden, der durch William Shakespeare berühmt wurde, diente auch als Vorlage für die Oper „Giulietta e Romeo“ von Riccardo Zandonai. Verona ist eine gelungene Mischung aus nördlicher Geschäftlichkeit und südlichem Temperament, ihr überschaubares Centro Storico und das aktive Kultur- und Kunstleben macht sie zu einer der liebenswertesten Städte Italiens.

Berühmte Arena wurde 50 nach Christus erbaut
Das gut erhaltene und in das heutige Stadtbild mit einbezogene Amphitheater, die Arena, wurde wahrscheinlich unter Antonius um 50 n. Chr. erbaut. Es entstand zur gleichen Zeit wie das Kolosseum in Rom und ist somit eines der frühesten Beispiele für ein von den Römern fortentwickeltes, in Form eines geschlossenen Ovals angelegtes Amphitheater.

152
Meter lang und 123 breit ist die berühmte Arena von Verona, bei einem Umfang von 435 Metern. Die klassisch gegliederte Fassade besteht aus zweigeschossigen Arkadenbögen. Im Innern haben etwa 22.000 Besucher auf 45 Sitzreihen Platz – jeden Sommer finden die berühmten Opernfestspiele statt.

Dietrich von Bern stammte aus Verona
Verona heißt veraltet auf Deutsch Bern, Dietrichsbern oder Welschbern – so stammt mit Dietrich von Bern eine der bekanntesten Sagenfiguren des deutschen Hoch- und Spätmittelalters, der auch in der Nibelungensage vorkommt, eben aus Verona. Heute ist die Stadt durch die Nähe zum Gardasee und zu Venedig ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen.

Domingo dirigiert am Pult
Auch in diesem Jahr wird Placido Domingo in der Arena di Verona am Dirigentenpult stehen. Am 16. und 30. Juli sowie am 20. August 2010 wird der Maestro die Oper Turandot von Giacomo Puccini dirigieren, mit der er am 16. Juli 1969 als damals 28-Jähriger sein Debüt in der Arena von Verona gab. Damals sang er die Rolle des Calaf, des letztlich glücklichen Bewerbers um die Hand der Prinzessin Turandot. Im letzten Jahr feierte Domingo sein 40-jähriges Bühnenjubiläum, weswegen ihm das Arena-Management einen Galaabend widmete.
Die diesjährige 88. Festspielsaison steht ganz im Zeichen des 87-jährigen Star-Regisseurs Franco Zeffirelli, der für die Regie und das Bühnenbild aller fünf Inszenierungen verantwortlich zeichnet. Noch bis zum 29. August 2010 haben Opernfreunde fast allabendlich die Möglichkeit, klassischer Musik unter freiem Himmel zu lauschen. Auf dem Programm stehen die Verdi-Opern Aida und Der Troubadour, Giacomo Puccinis Madame Butterfly und eine Neuauflage seiner Turandot sowie Georges Bizets Carmen.

Arena di Verona
Spielplan 2010
Turandot: 18. Juni, 1., 16., 24., 30. Juli sowie 13. und 20. August
Aida: 19. und 25. Juni, 3., 8., 13., 18., 22., 25., 27. und 31. Juli sowie 8., 10., 15., 17., 22., 26. und 29. August
Madame Butterfly: 26. Juni, 2., 9., 14., 17., 21. und 28. Juli sowie 6. August
Carmen: 10., 15., 20., 23., 29. Juli und 12., 18., 21., 24. und 27. August
Der Troubadour: 7., 11., 14., 19., 25. und 28. August.

Viele Monumente in der Stadt
Von der Bedeutung Veronas als politisches und wirtschaftliches Zentrum zeugen etliche Monumente, von der Arena bis zum Römischen Theater, vom Gavi-Bogen bis zur Porta dei Borsari.

Die berühmte Piazza delle Erbe
Historische Fassaden aus verschiedenen Jahrhunderten umgeben die Piazza delle Erbe, dem Marktplatz und allgemeinen Versammlungsort der mittelalterlichen Stadtrepublik.

Einzigartige Bauwerke
Seit 2000 gehört die Altstadt von Verona zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die verschiedenen Stile und die vielen, mit Marmor verzierten Bauwerke sind im Veneto einzigartig.

Reiseinfos

Opernprogramm 2010: offizielle Website: www.arena.it, www.arena-verona.de; Tickethotline +39 045 800 5151.
Ausflüge: Villa della Torre in Fumane (Valpolicella), Renaissance-Villa mit Mithras-Grotte, Eintritt 40 Euro für Gruppen ab vier Personen, Light-Lunch auf Bestellung; ospitalita@allegrini.it, Tel. +39 045 6832060.
Weinverkostung: Weingut des Sohnes von Dante Alighieri: Serego Alighieri, Gargagnagi di Valpolicella, www.seregoalighieri.it, Tel. +39 045 7703622.
Hotel-Tipp: Best Western Firenze, rund fünf Minuten von der Piazza Brà entfernt, im Nebenhaus edle Apartments, die je nach Saison pro Tag ab 115 Euro kosten: www.bestwestern.it, Corso di Porta Nuova 88, 37122 Verona, Tel. +39 045 8011510.

VN-Bettina L. Haase

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