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Zypern wurde vor 50 Jahren unabhängig

Vor fünfzig Jahren, am 16. August 1960, wurde Zypern nach mehrjährigen blutigen Auseinandersetzungen ein souveräner Staat.

Die Unabhängigkeit der Insel basierte auf den zwischen Großbritannien, Griechenland und der Türkei geschlossenen Verträgen von Zürich und London, die allen Teilungs- und Angliederungsbestrebungen einen Riegel vorschieben sollten und den Garantiemächten das Recht übertrugen, gemeinschaftlich oder notfalls auch im Alleingang Maßnahmen gegen etwaige Verletzungen der Abkommen zu ergreifen.

Darauf berief sich die Türkei 1974 bei ihrer Militärintervention nach einem von der Athener Militärjunta gesteuerten Putsch mit dem Ziel des Anschlusses (“Enosis”) Zyperns an Griechenland. Seither ist die “Insel der Aphrodite” geteilt, wenngleich völkerrechtlich seit 2004 als Ganzes EU-Mitglied. Die Vereinten Nationen fordern die Wiedervereinigung in Form eines bikommunalen Bundesstaates.

Die Unabhängigkeit führte nicht zur Bildung einer beide Sprachengruppen umfassenden zypriotischen Nation. Die Hoffnung, dass griechische und türkische Zyprioten eines Tages eine Art “Schweiz” im östlichen Mittelmeer bilden und zugleich die Gegensätze zwischen den beiden “Mutterländern” entschärfen könnten, ging nicht in Erfüllung. Im Gegenteil, “der Gedanke einer gemeinsamen Heimat, einer Willens- oder Konsensualnation, fand im Rechtsinstrumentarium der Republik keinen Niederschlag”, analysierte der in der Schweiz lehrende griechische Historiker und Zypern-Experte Pavlos Tzermias. Ohne ein gemeinsames Selbstverständnis der beiden Volksgruppen werde sich Zypern stets der Gefahr ausgesetzt sehen, “nicht die Insel der Aphrodite, sondern die des Kriegsgottes Ares zu sein”.

Zypern, Teil des römischen und oströmisch-byzantinischen Reiches, dann unter der Kontrolle der Kreuzritter und Venedigs, kam 1571 zum Osmanischen Reich, das die Insel 1878 an die Briten verpachtete. Diese annektierten Zypern im Ersten Weltkrieg und machten es 1925 zur Kronkolonie. Londons Kolonialpolitik folgte dem Prinzip “divide et impera” (teile und herrsche): Die beiden ethnischen Bevölkerungsteile wurden verwaltungs- und schulmäßig voneinander getrennt und ihre Unterschiede betont. Aus den geschürten Animositäten bezog die britische Herrschaft die Legitimation, als Ordnungsmacht auf der Insel zu bleiben, auf der sie starke geostrategische Interessen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ruf der Griechen nach “Enosis” immer lauter, die “Nationale Organisation zypriotischer Kämpfer” (EOKA) unter General Giorgos Grivas nahm 1955 den bewaffneten Kampf auf und verübte Terroranschläge. Der Ethnarch, Erzbischof Makarios III., wurde von den Briten 1956 auf die Seychellen verbannt. In der Türkei diente die Zypern-Krise unterdessen als Vorwand, unter Einsatz des Staatsapparats antigriechische Pogrome zu entfesseln, die dazu führten, dass nahezu hunderttausend Angehörige der christlichen Minderheit das Land verließen.

Nach der Unabhängigkeitserklärung der Republik mit Erzbischof Makarios als Präsident und Türkenführer Fazil Kücük als Vizepräsident fand sich die Mehrheit der griechischen Zyprioten in einem Staat wieder, der eigentlich nicht ihren politischen Zielen entsprach. Die Vetorechte, welche die Verfassung der türkischen Bevölkerungsgruppe einräumte, und der festgelegte ethnische Ämterproporz wurden auf griechischer Seite als unangemessen empfunden. Nach der Auflösung der EOKA formierte sich die terroristische EOKA-B, die nach dem Militärputsch in Athen 1967 Unterstützung vom griechischen Obristenregime erhielt. Türkische Extremisten gründeten im Gegenzug die bewaffnete Untergrundorganisation “Türk Mukavemet Teskilati” (TMT). Im Dezember 1963 kam es zu einem Massaker an Türken, für das sich die TMT mit Anschlägen rächte. Durch Beschluss des UNO-Sicherheitsrates wurde daraufhin eine Friedenstruppe der Vereinten Nationen auf der Insel stationiert.

Nach dem Militärputsch in Griechenland vom April 1967 entsagte Präsident Makarios endgültig der “Enosis”-Idee und propagierte die Eigenstaatlichkeit der Insel. Da der Erzbischof immer überzeugender als moralische Größe innerhalb der Blockfreien-Bewegung, zugleich aber auch als Wortführer des authentischen “Hellenentums” auftrat, beschloss dass international völlig diskreditierte Regime in Athen, Makarios zu beseitigen. Die Hintergründe des Staatsstreichs der von griechischen Offizieren befehligten zypriotischen Nationalgarde von 1974 sind nicht restlos geklärt. Feststehen dürfte, dass die griechischen Geheimdienstpläne für einen gewaltsamen Sturz von Makarios der US-Botschaft in Athen bekannt waren. Washington, damals gänzlich im Bann der Watergate-Affäre und zudem irritiert über die guten Beziehungen zwischen Makarios und Moskau, unternahm nichts, um die erwartete Aktion zu verhindern. Die Putschisten proklamierten den berüchtigten Nikos Sampson zum Präsidenten. Unter Berufung auf Bestimmungen des Londoner Garantievertrags intervenierte die Türkei am 20. Juli 1974 militärisch (“Operation Attila”) und besetzte 37 Prozent des Inselterritoriums.

Die seit 2008 laufenden griechisch-türkischen Volksgruppengespräche über die Wiedervereinigung sind bisher ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Die türkischen Zyprioten, deren “Türkische Republik Nordzypern” (KKTC) nur von Ankara anerkannt wird, strebten bisher eine lose “Konföderation zweier unabhängiger Staaten” an. Völkerrechtlich ist die ganze Insel seit 2004 EU-Mitglied, doch findet das Regelwerk der Union im türkisch besetzten Norden keine Anwendung. Ein UNO-Wiedervereinigungsplan war 2004 von den griechischen Zyprioten in einem Referendum massiv verworfen worden. Begründet wurde die Ablehnung damit, dass der Plan dem Großteil der nach der türkischen Invasion aus dem Norden Vertriebenen bzw. deren Nachkommen die Rückkehr in ihre Heimatorte verwehrte, zugleich aber vorsah, dass ein beträchtlicher Teil der angesiedelten Festlandtürken auf der Insel bleiben kann.

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