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Gleichberechtigung für Palästinenser im Libanon

Der nach langem Ringen zustande gekommene Gesetzesbeschluss des libanesischen Parlaments vom Dienstag, durch den palästinensische Flüchtlinge in Hinkunft eine Arbeitserlaubnis für alle Berufszweige erhalten, ist nach Einschätzung politischer Beobachter in Beirut von epochaler Bedeutung. Die Initiative dazu war von der Sozialistischen Fortschrittspartei (PSP) des Drusenführers Walid Joumblatt ausgegangen und von sämtlichen muslimischen Parteien, insbesondere der schiitischen Hisbollah, unterstützt worden.
Libanon erteilt Palästinensern Arbeitserlaubnis

Die palästinensischen Flüchtlinge und ihre Nachfahren leben im Libanon unter zumeist erbärmlichen Bedingungen. Die meisten Lager sind überfüllte Elendsquartiere. Nach einer UNO-Statistik von 2006 leben etwa 60 Prozent der Flüchtlinge unter der Armutsgrenze, über 70 Prozent sind arbeitslos. Das seit 1949 bestehende Lager Nahr al-Bared bei Tripoli im Norden des Landes mit mehr als 30.000 Bewohnern wurde 2007 während einer vier Monate dauernden Militäroperation zerstört, nachdem sich die sunnitische Extremistengruppe “Fatah al-Islam” darin verschanzt hatte. Es waren mehr als 400 Tote zu beklagen, darunter 180 libanesische Soldaten. Der Anführer der Gruppe, Abdel Rahman Awad, soll vor wenigen Tagen bei einem Gefecht in der Bekaa-Ebene ums Leben gekommen sein.

Die Präsenz der Flüchtlinge war eine der wesentlichen Ursachen für den libanesischen Bürgerkrieg 1975-90, der sowohl Religionskrieg als auch Klassenkampf und Stellvertreterkrieg zwischen den Nachbarn Israel und Syrien war. Dabei ging es um die politische Vorherrschaft der christlichen Maroniten, die gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil im Staatsapparat deutlich überrepräsentiert waren, und um die Verschärfung der sozialen Spannungen zwischen der überwiegend christlichen Oberschicht und der muslimischen Unterschicht, die durch Landflucht und Arbeitslosigkeit die Elendsviertel bevölkerte. Die christliche Führung wollte die Palästinenser aus dem Land haben, nachdem sich linke und muslimische Parteien mit der Palästinensischen Befreiungsfront (PLO) von Yasser Arafat verbündet hatten und so die christliche Dominanz gefährdeten.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation hatte Ende der 1960er-Jahre im Libanon eine Machtbasis aufgebaut. 1969 schloss Staatspräsident Charles Helou mit Arafat ein Abkommen, das der PLO die uneingeschränkte Kontrolle der Flüchtlingslager übertrug. 1982 beschloss der israelische Generalstab, die PLO im Libanon zu zerschlagen. Israelische Truppenverbände unter Ariel Sharon stießen bis Beirut vor. Arafat konnte nach internationaler Vermittlung mit 11.000 Kämpfern nach Tunis abziehen. Die palästinensischen Flüchtlinge blieben schutzlos zurück, es kam zu den Massakern in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs fiel die unter christlichem Oberbefehl stehende libanesische Armee auseinander, die muslimischen Teile schlossen sich großteils der linken und muslimischen “Nationalen Bewegung” an. Die Niederlage des christlichen Lagers wurde nur durch das militärische Eingreifen Syriens verhindert, das mit einem Mandat der Arabischen Liga die Rolle einer Ordnungsmacht übernahm. Die syrische Militärpräsenz, die bis zur sogenannten Zedernrevolution nach der Ermordung von Ex-Premier Rafik Hariri 2005 andauern sollte, engte den Handlungsspielraum der libanesischen Staatsführung deutlich ein.

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