Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Verteidiger Alexander Philipp bat um Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab vorerst keine Erklärung ab.
“Ich bekenne mich schuldig, dass ich den Polizisten verletzt habe. Aber ich bin kein Mörder. Das ist passiert im Stress”, hatte der Angeklagte in seiner Einvernahme erklärt. Das Ganze hatte mit einer harmlosen Verwaltungsübertretung begonnen: Mihailo J. war am Gürtel bei Gelb über eine Ampel gerast und anschließend falsch abgebogen, was einer Funkstreife auffiel. Als der Serbe im Rückspiegel das Blaulicht wahrnahm, drückte er aufs Gaspedal und versuchte den Beamten zu entkommen.
Was die Uniformierten zu diesem Zeitpunkt nicht wussten: Der 33-Jährige war erst Tage zuvor festgenommen worden, weil er sich nach einer Verurteilung wegen Einbruchsdiebstahls und Gemeingefährdung illegal in Österreich aufhielt. Gegen ihn war ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.
Mihailo J. gelang es jedoch, aus der Schubhaft zu fliehen, und in diese wollte er keinesfalls zurückkehren. Er fuhr daher mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Ottakring, stellte schließlich das Fahrzeug ab und trachtete danach, zu Fuß zu entkommen. Der 27-jährige Inspektor Mario R. lief ihm hinterher, bis dem Serben der Atem ausging und dieser sich zwischen geparkten Fahrzeugen duckte.
Der Polizeibeamte übersah die hingekauerte Gestalt nicht und forderte den Unbekannten auf, sich zu ergeben. Er ging auf den Mann zu und verwechselte fatalerweise den Gegenstand, den dieser in seiner rechten Hand hielt, mit einem Plastikrohr. Der Inspektor steckte im Glauben, von seinem Gegenüber gehe keine ernsthafte Gefahr aus, seine gezogene Dienstpistole zurück in den Holster, als Mihailo J. abdrückte.
“Es erfasste mich Panik. Da bin ich aufgestanden und habe auf die Beine gezielt, damit ich dann flüchten kann. Ich hatte nur die eine Möglichkeit, ihn zu verletzen und zu flüchten”, schilderte der Angeklagte diese Szene. Er habe keinesfalls abgeschoben werden wollen.
Der Beamte wurde zunächst im Knie getroffen. Ein zweiter Schuss ging in ein abgestelltes Auto. Als der Polizist zusammensackte, traf ihn ein weiteres Projektil in der Schulter, das die Lunge beschädigte und zwischen dem zehnten und elften Brustwirbel steckenblieb.
“Er hatte eine Legion von Schutzengeln, dass er mit dem Leben davongekommen ist”, erklärte Walter Riedl, der Rechtsvertreter des Polizisten. Mario R. musste notoperiert werden und wurde danach zehn Tage in einen künstlichen Tiefschlaf versetzt. Das Projektil befindet sich noch immer in seinem Körper, sodass Spät- bzw. Dauerfolgen nicht ausgeschlossen werden können.
Der junge Polizist befindet sich seit 21. April wieder im Dienst. Das Projektil, das noch in seiner Wirbelsäule steckt, macht ihm vor allem psychisch zu schaffen, wie er im Zeugenstand darlegte: “Das war und ist eine ziemliche Belastung. Die Angst, dass noch irgendwas ist, ist da.”
Vor allem befürchtet der noch nicht endgültig in den Polizeidienst übernommene Beamte, sich nach einem neuen Job umsehen zu müssen, sollte sich seine Diensttauglichkeit infolge der erlittenen Schussverletzungen vermindern.
Urteil in “Polizisten-Mord”
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