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Israilov-Prozess: Wurde ignoriertes Mail zum Verhängnis?

Der Prozess findet unter stärksten Sicherheitsvorkehrungen statt.
Der Prozess findet unter stärksten Sicherheitsvorkehrungen statt. ©APA
Vor den Tagen seiner Ermordung fühlte sich Umar Israilov ausspioniert und wandte sich an den Verfassungsschutz. Seine E-Mail wurde allerdings nie beantwortet. Für Dienstag steht ein Lokalaugenschein an.
Mutmaßlicher Mörder aufgetaucht
Fall Israilov: Prozessbeginn

Wurde ein wirkungsloses Mail an das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Umar Israilov letztendlich zum Verhängnis? Diese Frage mussten sich Prozessbeobachter am Montag im Wiener Landesgericht bei der Schwurverhandlung zum Mord an Israilov vom 13. Jänner 2009 stellen, nachdem sie die Aussage eines Betreuers des Opfers gehört hatten. Unterdessen hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Kritik am Vorgehen Österreichs in der Causa geübt.

Israilov spürte in den Tagen vor seinem gewaltsamen Tod bereits, dass er von tschetschenischen Landsleuten verfolgt und überwacht wird. Das bestätigte der Mitarbeiter einer Menschenrechtsorganisation, der sich seit 2005 um Israilov gekümmert und mit ihm eine Freundschaft aufgebaut hatte. Dass sich das spätere Mordopfer bedroht fühlte, wurde in einem Mail am 22. Dezember 2008 – also rund drei Wochen vor dem Mord – auch dem BVT mitgeteilt. Der Wunsch Israilovs, dass die Verfassungsschützer zu einer Personenkontrolle ausrücken, erfüllte sich jedoch nicht: “Eine strafrechtliche Relevanz kann ich nicht erkennen. Sollte sich etwas ändern, bitte den Notruf wählen”, stand im Antwortschreiben der Behörde.

Kontakt zur tschetschenischen Führung

Vor dem Schwursenat (Vorsitz Friedrich Forsthuber) müssen sich seit November des Vorjahres drei Angeklagte, Otto K., Suleyman D. und Turpal-Ali Y., wegen der Ermordung Israilovs verantworten. Dabei gilt der 42-jährige Otto K. als zentrale Figur. Er soll “die Gesamtverantwortung für die Operation, deren logistische Vorbereitung und Koordinierung” inne gehabt und “Kontakt zur tschetschenischen Führung” gehalten haben, heißt es in der Anklageschrift.

Otto K. war laut Staatsanwalt Leopold Bien ein enger Vertrauter des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow. Er soll – vermutlich auf einen Auftrag Kadyrows hin – Suleyman D. (36), der nun mit ihm als Zweitangeklagter die Anklagebank teilt, den Auftrag erteilt haben, “Umar Israilov zu überwältigen und zu verbringen oder ihn, falls dieses Vorhaben scheitern sollte, zu töten”, so Anklage. Suleyman D. war laut Darstellung der Strafverfolgungsbehörde intensiv in die Planung eingebunden.

Angegriffen wurde Israilov nach Ansicht des Staatsanwalts von Letscha B., dem nach den tödlichen Schüssen die Flucht ins Ausland gelang, und dem Drittangeklagten Turpal-Ali Y. (31). Das Wiener Gericht hat in einem Rechtshilfeersuchen an die Moskauer Generalstaatsanwaltschaft um Ausforschung und zeugenschaftliche Befragung von Letscha B. ersucht. Doch der Verdächtige soll bei einem neuerlichen Attentatsversuch in Tschetschenien nun selbst schwer verletzt worden sein.

Betreuer schickte Mail

Bereits im Juli 2008 hatte Israilov seinem Freund und Betreuer von einem Treffen mit einer tschetschenischen Delegation erzählt, deren Anführer “genau gesagt hatte, was er wollte”, schilderte der Zeuge. Dieser sei von Kadyrow geschickt worden, um das Problem mit Israilov zu lösen. Der Leiter der Delegation habe auch von Killern in Bratislava gesprochen, die auf ihren Einsatzbefehl warten würden. Am 22. Dezember 2008 erzählte Israilov seinem Betreuer schließlich von seinen Schatten. Ein anderer Tschetschene sei ihm wiederholt begegnet, er fühle sich ausgekundschaftet. Israilov habe ihm auch einen Spitznamen genannt, den er sich aber nur phonetisch notiert habe, meinte der Zeuge. Dieser Spitzname könnte entweder mit dem von Otto K. – “Schurik” – oder von Suleyman D. – “Zurko” – übereinstimmen. Der Betreuer schickte daraufhin das ergebnislose Mail an den Verfassungsschutz.

Lokalaugenschein am Dienstag

Während am Nachmittag den Geschworenen über mehr als vier Stunden hinweg ein Video von der Tatrekonstruktion mit oft widersprüchlichen Aussagen der mehr als ein Dutzend Tatzeugen gezeigt wurde, übte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) Kritik an der österreichischen Vorgangsweise: Das Land solle Druck auf Russland ausüben, damit der Mordfall Israilov untersucht werde. “Die Anschuldigungen gegen Kadyrow und das tschetschenische Regime sind so stark, dass wir fordern, dass sie von der russischen Regierung untersucht werden”, so ein HRW-Mitarbeiter. Österreich tue “zumindest öffentlich” in dieser Hinsicht zu wenig.

Für Dienstag ist der Lokalaugenschein am Tatort in der Floridsdorfer Ostmarkgasse angesetzt. Forsthuber wies im Gespräch darauf hin, dass während des eigentlichen Geschehens Film- und Fotoverbot herrscht. “Der Lokalaugenschein ist genauso Teil der Verhandlung wie die anderen Prozesstage”, begründete der Landesgerichtspräsident seinen Hinweis.

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