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Kernschmelze in weiterem Reaktor in Fukushima

Im havarierten japanischen Atomkraftwerk Fukushima 1 ist offenbar ein weiterer Reaktor von einer Kernschmelze betroffen. "Wir nehmen an, dass es zu einer Kernschmelze gekommen ist", sagte der japanische Regierungssprecher Yukio Edano nach Angaben des US-Nachrichtensenders CNN am heutigen Sonntag in Tokio.
Allerdings sei die radioaktive Strahlung, die zuvor die gesetzliche Höchstgrenze überschritten hatte, wieder zurückgegangen.

Die Behörden hatten am Sonntag in der Früh (Ortszeit) berichtet, dass im dritten Reaktor von Fukushima 1 die Notkühlfunktion ausgefallen sei. Deswegen entschlossen sich die Behörden dazu, kontrolliert radioaktiven Dampf abzulassen. In der Folge war die radioaktive Strahlung im Umfeld des Atomkraftwerks über die Höchstwerte geklettert. Im ersten Reaktor, in dem am gestrigen Samstag von einer Kernschmelze berichtet wurde, sollten die Brennstäbe durch Zuleitung von Meerwasser gekühlt werden. Auch dort war zunächst radioaktiver Dampf abgelassen worden. Am Samstagnachmittag hatte sich in der Anlage eine Explosion ereignet, die das Gebäude rund um den ersten Reaktorblock zerstörte.

Im ersten Reaktorblock begannen Techniker damit, die Anlage mit einem Gemisch aus Meerwasser und Borsäure zu fluten, um die drohende Kernschmelze zu verhindern. Borsäure absorbiert Neutronen und trägt dazu bei, die Kettenreaktion in einem Atomreaktor zu stoppen. Das Auffüllen mit dem Wasser-Säure-Gemisch sollte bis zu zehn Stunden dauern. Bis der überhitzte Reaktorkern abgekühlt ist, können zehn Tage vergehen.

Durch die Freisetzung von Radioaktivität in Fukushima sind mittlerweile 15 Menschen verstrahlt worden. 200.000 Menschen sollten in einem Umkreis von 20 Kilometer um die beiden Atomkraftwerke evakuiert werden. Der Atomunfall stellte die Behörden vor enorme Herausforderungen. Tausende aus der Gegend um das Kraftwerk evakuierte Menschen wurden auf Radioaktivität gescannt. In den Evakuierungszentren untersuchten Arbeiter mit weißen Masken und Schutzbekleidung die Neuankömmlinge mit tragbaren Geräten.

Unterdessen kam die Erde in Japan nicht zur Ruhe. Ein starkes Nachbeben erschütterte am Sonntag um 10:26 Uhr Ortszeit (2:26 Uhr MEZ) den Großraum der japanischen Hauptstadt Tokio. Dort wankten Hochhäuser. Das Epizentrum des Bebens der Stärke 6,6 habe sich 207 Kilometer östlich der japanischen Metropole befunden, teilte die US-Erdbebenwarte USGS mit. Die Meteorologische Behörde in Tokio revidierte indes die Stärke des verheerenden Bebens vom Freitag nach oben. Es hatte demnach eine Stärke von 9,0 statt 8,8.

Die Einsatzkräfte arbeiteten am Sonntagnachmittag auf Hochtouren. 390.000 Menschen sind nach Medienberichten vor den verheerenden Zerstörungen geflohen. In fünf Provinzen des Landes wurden mehr als 1400 Notlager unter anderem in Schulen und Gemeindehäusern eingerichtet. Vielerorts werde mit Tankwagen Trinkwasser herangeschafft. Augenzeugen berichteten von Hamsterkäufen in Supermärkten, an vielen Tankstellen bildeten sich lange Schlangen, wo sich die Menschen auch mit Heizöl eindecken. Die Regierung kündigte an, die Zahl der Soldaten zur Unterstützung der Rettungseinsätze auf 100.000 zu verdoppeln.

Nach einer aktuellen Bilanz der Behörden dürften 1800 Menschen durch das Beben und die folgende Flutwelle ums Leben gekommen sein, die Polizei bestätigte zunächst 900 Tote. Die Zahl der Toten dürfte aber noch weiter steigen. Allein in der Ortschaft Minamisanriku gab es von 9500 Menschen – jedem zweiten Bewohner – kein Lebenszeichen.

In ganz Japan waren auch am dritten Tag nach dem Erdbeben fünfeinhalb Millionen Menschen ohne Strom. In normalerweise betriebsamen Vierteln in der Hauptstadt Tokio herrschte am Samstagabend Leere. Die wenigen Besucher von Bars und Restaurants verfolgten im Fernsehen die Berichterstattung über die Rettungseinsätze für die Erdbebenopfer. Ministerpräsident Naoto Kan wurde in den japanischen Medien wegen der Informationspolitik seiner Regierung kritisiert. Mehrere Zeitungen schrieben, die Informationen flössen nur spärlich, die Anordnungen zur Evakuierung der Anrainer der beschädigten Reaktoren in Fukushima seien zu spät gekommen.

Die japanische Notenbank will Medienberichten zufolge den Finanzmarkt mit umgerechnet mehreren Milliarden Euro stützen. Wie hoch die Belastungen für das japanischen Staatsbudget sein werden, war zunächst unklar. Die Regierung geht nach eigenen Angaben davon aus, dass Budgetreserven in Höhe von umgerechnet 1,8 Milliarden Euro bis Ende März ausreichen werden.

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