Ihr Rücktritt markiert einen neuen Höhepunkt in einer schweren Personalkrise, in welche die ÖVP-Delegation und das Europaparlament in Brüssel seit der Bestechungsaffäre um den Ex-Innenminister Ernst Strasser gestürzt ist. Ranner habe einen Schuldenberg von mehr als sieben Millionen Euro angehäuft, schrieb der “Kurier” unter Berufung auf einen Schriftverkehr zwischen den Anwälten von Ranner und dem Landesgericht Graz.
Auf ihrem Insolvenzabwicklungskonto lange neben ihrer Witwenpension zwölfmal jährlich das Salär als EU-Parlamentarierin in Höhe von 6.000 Euro netto und ein pauschaler Spesenersatz von monatlich 4.202 Euro ein. Die EU-Mandatarin wollte ihre Schulden unter anderem mit Hilfe der Spesen-Pauschale des EU-Parlaments tilgen, schreibt der “Kurier” unter Berufung auf entsprechende Dokumente.
Ranner wollte ihren Bezug als Europaparlament-Mandatarin zur Gänze zum Schuldentilgen verwenden, gelebt hätte sie von Teilen des Spesenersatzes. In ihrem Rücktrittsschreiben erklärt Ranner, dass die Anschuldigungen zwar “haltlos und unwahr” seien, es ihr aber “unmöglich (machen), mich weiterhin mit besonderem Einsatz meiner parlamentarischen Arbeit widmen zu können”. Sie werde nun “meine ganze Zeit und Kraft dafür aufwenden, die Beschuldigungen zu entkräften”.
Europaparlament: Ranner weißt Vorwürfe von sich
Gegenüber der APA erklärte Ranner am Dienstagvormittag der “Kurier”-Bericht sei “absurd”. Auch die kolportierte Gesamtschuldensumme von sieben Millionen Euro “stimmt nicht”. Jeder Mensch könne Forderungen an sie stellen, “das kostet 20 Euro und es passiert nichts, wenn die Forderung zurückgewiesen wird. Das ist ja billig”. Den Vorwurf der Benützung von Spesen zur Schuldenabdeckung bezeichnete sie als “absolut lächerlich. Das wurde schon drei Mal richtig gestellt”.
Ranners Anwalt Heimo Hofstätter betonte gegenüber dem “Kurier”, dass es sich um einen “Formulierungsfehler” handle. “Meine Mandantin wollte den Spesenersatz nicht zum Schuldentilgen verwenden.” Die EU-Abgeordnete schlitterte im Vorjahr über ihre Beteiligung an einer Sanierungsfirma selbst in die Insolvenz: Zu Jahresbeginn wurde am Landesgericht Graz ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet.
Die Überschuldung wird mit über 3,5 Mio. Euro angegeben. Ranner ist an der 1989 gründeten Revita Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft m.b.H. beteiligt, die in Schwierigkeiten geratene Unternehmungen ganz oder teilweise erwerben und nach Sanierung mit Gewinn wieder verkaufen sollte. Die Staatsanwaltschaft Graz nahm kurz darauf Ermittlungen gegen Ranner wegen Betrugsverdachts auf. Die Anwaltskanzlei SCWP warf ihr in einer Anzeige vor, die Kanzlei um einem Gesamtbetrag von zumindest 356.276,62 Euro geschädigt zu haben – “vornehmlich durch erschlichene Prämien und ungerechtfertigt erstellte Honorarforderungen” zwischen 2006 und 2008.
Auch soll sich die Abgeordnete “ohne jede Grundlage oder Genehmigung der Mitgesellschafter” Beträge in Höhe von 90.000 Euro überwiesen haben. Ranner wies die Betrugsvorwürfe als falsch von sich. “Ich bin entsetzt, über die Medien informiert zu werden. Bisher hat mir niemand den Anzeigetext zur Kenntnis gebracht.” Die am 10. Mai 1951 in Graz geborene studierte Juristin zog 2009 ins EU-Parlament als zweite Frau neben Elisabeth Köstinger in der ÖVP-Delegation ein. Als Europaabgeordnete war Ranner vor allem im EU-Verkehrsausschuss aktiv.
Dort setzte sie sich unter anderem für eine höhere EU-Förderung für Semmering- und Koralmtunnel, einen Ausbau des Baltisch-Adriatischen Bahnkorridors und eine Senkung der Preise für slowenische Autobahnvignetten ein. Von 1974 bis 1976 arbeitete Ranner in der Marketingabteilung der Skischuhfabrik Dynafit GmbH in Graz. Darauf wurde sie Universitätsassistentin an der Juridische Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz am Institut für Verfassungsrecht.
Es folgte eine Tätigkeit als Referentin im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes Wien. 1982 machte sie sich als Rechtsanwältin selbstständig. Zur Politik kam Ranner über die Stadt Graz. Sie war von 1988 bis 1996 Gemeinderätin der Stadt und kurzzeitig auch Präsidentin der Grazer Messe. Von 1982 bis September war sie als Rechtsanwältin mit Schwerpunkt im Bereich Wirtschaft tätig und betrieb ihre Firma für Consulting und Mediation.
Seit 2010 ist sie stellvertretende Leiterin der Steirischen Frauenbewegung und Vizepräsidentin der Europäischen Seniorenunion. Ranner ist verwitwet, sie war mit einem Grazer Strafrichter verheiratet. Aus dieser Ehe hat sie zwei Stiefsöhne, die mittlerweile erwachsen sind. Im Europaparlament wird sie nicht mehr zu finden sein.