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"Ein Bürgermeister muss die Menschen lieben"

SPÖ Schlins gratuliert Sonderegger
FPÖ: "Mehr Konsequenz bei Gemeindekooperation"

Herr Sonderegger, Sie werden heute zum neuen Gemeindeverbandspräsidenten gewählt. Wie lief die Entscheidungsfindung ab?
 
Harald Sonderegger: Ich war seit 2000 Vizepräsident und konnte auch als Vertreter von Wilfried Berchtold einiges an Erfahrungen sammeln. Nach Rücksprache mit meiner Frau und den Mitarbeitern in der Gemeinde habe ich mich für eine Kandidatur entschieden.

Ihre Heimatgemeinde Schlins hat rund 2300 Einwohner. Ist es nicht eher ungewöhnlich, dass der Bürgermeister einer Kleingemeinde Präsident wird?

Sonderegger: Bisher war es Tradition, dass mittlere oder große Gemeinden den Verbandspräsidenten gestellt haben. Von dieser Seite betrachtet, ist es ein gewisses Novum, dass der Vertreter einer kleineren Gemeinde kandidiert. Die Nominierung hat mich sehr gefreut. Ich denke, dass hängt auch mit der Wertschätzung und Honorierung meiner bisherigen Arbeit zusammen.

Geht der Bürgermeister einer Kleingemeinde anders an die Aufgaben des Gemeindeverbandspräsidenten heran?

Sonderegger: Es geht im Wesentlichen um die Interessensvertretung aller Gemeinden. Deshalb war es in der Vergangenheit erforderlich, den Spagat zwischen kleinen, mittleren und großen Gemeinden zu schaffen. Auch in Zukunft wird es notwendig sein, den Ausgleich zu finden und die unterschiedlichen Voraussetzungen und Strukturen zu berücksichtigen. Wilfried Berchtold hat diesen Spagat gut bewältigt und bewusst viel Augenmerk auf die kleineren Gemeinden gelegt, die in ihrer Anzahl die Mehrheit der Gemeinden bilden. Wir müssen weiterhin gemeinsame Positionen erarbeiten, um gemeinschaftlich gegenüber unseren Verhandlungspartnern auftreten zu können. Das wird schlussendlich die Stärke des Gemeindeverbandes ausmachen.

Kritiker sagen, Sie seien ein enger Vertrauter Berchtolds und würden seine Linie weiterverfolgen. Übt der Feldkircher Bürgermeister weiter Einfluss im Gemeindeverband aus?

Sonderegger: Alle Städte des Landes sind im Gemeindevorstand durch ihren Bürgermeister vertreten. Damit ist klar, dass Wilfried Berchtold Kraft seiner Funktion auch in Zukunft in diesem Gremium vertreten sein wird. Seine Arbeit stand in den letzten Jahren nie außer Frage, wurde nie kritisiert. Jeder Nachfolger wird gut beraten sein, ein Stück weit diese Prinzipien weiterzuführen. Es wird sicher Nuancenverschiebungen geben, weil Menschen nicht einfach kopierbar sind. Es hat jeder Stärken und Schwächen und vielleicht auch besondere Lieblingskinder oder -themen.

Welchen Weg wollen Sie einschlagen, haben Sie auch Lieblingsthemen?

Sonderegger: Die Schwerpunkte sind größtenteils bekannt, denn Probleme entstehen ja nicht neu. Konkret geht es darum, die Funktionsfähigkeit der Gemeinden im Rahmen des Finanzausgleichs zu erhalten. Altbekannte Themen sind Spitalbeitrag, Sozialfonds, Fragen rundum die Kinderbetreuung. Diese Probleme gilt es abzuarbeiten und wir werden da oder dort versuchen, neue Ansätze zu verfolgen.

Viele Bürgermeister klagen über die schlechte finanzielle Situation. Was können Sie tun, um diese zu verbessern?

Sonderegger: Es gibt kein allgemein gültiges Rezept, denn wir haben 96 Gemeinden mit unterschiedlichen Haushalten und unterschiedlichsten Rahmenbedingungen. Jeder Bürgermeister kann für sich sagen, dass er die beste und bürgerfreundlichste Verwaltung will. Das gilt es mit Effizienz und in einem erträglichen Kostenrahmen zu erreichen. Gleichzeitig muss jeder die eigenen finanziellen Möglichkeiten ­genau ansehen und sein Handeln danach ausrichten. Wir haben ein Stück weit sehr viel fremdbestimmte Ausgaben, auf die wir keinen Einfluss haben. Das sind die großen Summen in unseren Budgets. Daneben gibt es in vielen kleineren Bereichen eben doch die Möglichkeit da oder dort mit Bedacht und Besonnenheit vorzugehen. Das muss jeder nach seinem Können, Wissen und Gewissen entscheiden. Ein gültiges Rezept zu verkünden, wäre vermessen.

In Hohenems wurden Mitarbeiter aufgerufen, Vorschläge zur Verbesserung der finanziellen Situation zu bringen. In Dornbirn werden die Bürger befragt. Was halten Sie davon?

Sonderegger: Regelmäßig Rücksprache mit seinen Mitarbeitern zu halten, ist sicher nicht ungeschickt. Der Dornbirner Weg ist interessant und spannend. Man wird die Ergebnisse abwarten müssen. Die Vorgangsweise ist für größere Gemeinden vielleicht sinnvoller, da in den kleineren Gemeinden die Einheit überschaubarer ist. Man kennt sich näher, Themen oder Vorschläge werden kommuniziert.

Kennen Sie eigentlich jeden Bürger in Schlins?

Sonderegger: Vom Gesicht her sind mir die meisten bekannt. Bei über 2000 Einwohnern bewegen wir uns aber schon in einer Größenordnung, wo man nicht mehr jeden einzelnen dem Namen nach wirklich kennt.

Wolfurts Altbürgermeister Erwin Mohr konnte beim Besuch einer Volksschulklasse die Adressen aller Kinder nennen. Wie gut sind Sie in dieser Disziplin?

Sonderegger: Alle Vornamen der Volksschüler kenne ich nicht, aber zumindest den Nachnamen oder man kann sie dem Gesichtsausdruck nach zuordnen. Und wenn man die Eltern kennt, hat man die Adressen im Kopf. Diese Zuordnung funktioniert durchaus. Da sind die Kinder sehr erstaunt und sagen: Was, der Bürgermeister weiß, wo ich wohne.

Bei den letzten Gemeinderatswahlen war es schwer, Bürgermeister für kleinere Gemeinden zu finden. Wie kann man dieses Amt attraktiver machen?

Sonderegger: Die Tätigkeit ist attraktiv. Es ist ein Amt, für das man gewisse Vorstellungen oder Wertehaltungen mitbringen muss, um die Herausforderungen bewältigen zu können. Ein Bürgermeister muss zuhören und argumentieren können. Er sollte aber auch eine gefestigte Meinung haben, um Entscheidungen vertreten zu können und dabei ein gewisses Maß nicht verlieren. Und man muss die Menschen – auch wenn sie einem nicht immer wohlgesonnen sind – trotz alledem mögen.

Wie sieht es mit der finanziellen Absicherung aus?

Sonderegger: Hier haben wir sicher nach wie vor einen Verbesserungsbedarf im Bereich der Klein- und Kleinstgemeinden. Das werden wir ändern. Wenn Gemeindevertretungen über den Gehalt des Bürgermeisters abstimmen, würde ich mir mehr Großzügigkeit im Rahmen der bestehenden Vorgaben wünschen. Diese Bürgermeister haben genau dieselben Aufgaben zu bewältigen wie Bürgermeister von mittleren oder größeren Gemeinden. Die Verantwortung ist gleich. Der einzige Unterschied ist, dass in der größeren Einheit entsprechend mehr oder geschulteres Personal zur Verfügung steht.

Beim Gehalt gibt es – gestaffelt nach Einwohnerzahl – eine Höchst- und eine Mindestgrenze. Wieso gibt es Probleme, wenn Gemeindevertreter innerhalb dieses Rahmens abstimmen?

Sonderegger: Die Diskussionen in den Gemeindevertretungen sind oft nicht sehr angenehm – auch wenn man die Mehrheit hat. Die Bürgermeister werden vorgeführt. In einem normalen Betrieb hat der Mitarbeiter einen Kollektivvertrag oder verhandelt mit dem Personalchef oder der Firmenleitung über sein Gehalt. Was diese Problematik angeht, haben wir den Stein der Weisen noch nicht gefunden. Auf der anderen Seite müssen die Gemeindemandatare entscheiden, was sie bereit sind, ihrem Gemeindeoberhaupt als Entschädigung zu geben und das müssen sie nach außen auch vertreten.

Wie schaut es mit dem Verständnis der Bevölkerung aus?

Sonderegger: Grundsätzlich haben die Menschen in den Gemeinden großes Verständnis dafür, dass ihr Bürgermeister ordentlich entschädigt wird. Gerade in den kleineren oder mittleren Einkommensbereichen ist die Akzeptanz relativ hoch. Das Problem ist, dass auch Gemeindevertreter etwas Mut an den Tag legen müssten. Motivierte Bürgermeister – und da ist die Entschädigung mit ein Punkt – leisten gute Arbeit.

Wie erleben Sie Ihr Amt als Bürgermeister?

Sonderegger: Ich bin ausgebildeter Jurist und war in der Verwaltung der Wirtschaftsabteilung der Bezirkshauptmannschaft Bregenz tätig. In den letzten 16 Jahren hatte ich als Bürgermeister mit vielen Unternehmen zu tun. Und ich kann sagen: Es gibt keinen Betrieb, der ein so breites Betätigungsfeld abzudecken hat. Als Gemeinde betreuen wir die Bürger von der Wiege bis zur Bahre. Als zweiten Teil gibt es die Gemeinde als Unternehmerin. Die Gemeinde baut, sie kauft, sie verkauft. Hier bestehen viel Gestaltungsmöglichkeit und Spielräume. Es geht dabei nicht darum, sein eigenes Denkmal zu hinterlassen, sondern die Herausforderungen, die die Zeit stellt zu lösen. Von daher ist das Amt des Bürgermeisters der beste Beruf. Jeder sollte sich darum bemühen, diesen Job einmal ausüben zu können.

(NEUE / Sonja Schlingensiepen)

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