“Es ist nichts da, das beweist, dass der Angeklagte der Täter ist”, hatte die Verteidigung bereits zu Prozessbeginn Anfang November 2015 zu bedenken gegeben. “Ich weiß, ich bin unglaubwürdig. Ich habe gelogen, meine Mutter bestohlen. Aber wenn Sie alles Schlechte glauben, dann bitte ich Sie, auch Positives nicht zu vergessen … Sie können Gott und die Welt fragen, dass ich nie aggressiv gewesen bin”, appellierte der 42-Jährige an die Geschworenen, deren Schuldspruch in dem Indizienprozess dennoch einstimmig war.
Indizienkette führt zu lebenslanger Haftstrafe in Wiener Neustadt
Tatsächlich gab es keine Zeugen, Mordwerkzeug wurde nicht gefunden und der Angeklagte bestritt, mit der Tat auch nur das Geringste zu tun zu haben. Fakt ist dennoch: Am 6. Jänner 2015 in den Abendstunden wählte er den Notruf. Seine 60-jährige Mutter lag mit eingeschlagenem Schädel tot im Keller ihres Hauses. Aus der Lebensgeschichte des Beschuldigten ergab sich für die Staatsanwaltschaft eine “geschlossene und in sich schlüssige Indizienkette” für den Mordvorwurf gegen den 42-Jährigen.
“Ein Tunichtgut, der vom Geld der Mutter gelebt hat und dieser eine schlimme Krankheit vorgetäuscht hat, damit sie ihn weiterhin mit Barem versorgt” (so ein Prozessbeteiligter) soll die Frau erschlagen haben, als sie der “Lebenslüge” ihres Sohnes auf die Schliche gekommen war. Er hatte ihr nämlich erzählt, dass er an Leukämie erkrankt sei, hatte jedoch das viele Geld, das sie ihm gegeben hatte, nicht für Therapien, sondern für seinen Lebensstil verbraucht. Als die Ersparnisse der 60-jährigen Volksschulpädagogin beinahe aufgebraucht waren und dadurch laut der Richterin “das Lügengebäude zusammenzubrechen drohte”, das sich der Langzeitarbeitslose – in 24 Jahren war er nur viereinhalb Jahre erwerbstätig – aufgebaut hatte, soll er die Mutter bei einem Streit mit einem kantigen Gegenstand getötet haben.
60-jährige Mutter ermordet: Ermittlungen in Baden
Einige Kilometer vom Tatort entfernt fanden die Kriminalisten neben Einweghandschuhen auch versengte, blutverschmierte Schuhe und Kleidungsstücke des Angeklagten. Die DNA-Analysen von Gerichtsgutachterin Christa Nussbaumer ergaben: Auf den Schuhen gab es sogenannte Mischprofile, also DNA-Spuren von mehreren Personen. Auf einem Schuh war auch das DNA-Profil des Opfers auszumachen. Das Hauptprofil jedoch hatte der Angeklagte hinterlassen. Einweghandschuhe wurden ebenfalls entdeckt, auf denen neben DNA-Spuren von Opfer und Angeklagtem auch einige nicht zuordenbare Merkmale gefunden wurden. Die Spuren auf den Kleidungsstücken, die erst Monate nach der Tat in einem Waldstück entdeckt worden waren, brachten keinen Aufschluss.
DNA-Merkmale des Trägers konnten nicht eruiert werden, dafür solche des Opfers. Witterung, Nässe, etc. hatten mögliche DNA-Spuren beeinträchtigt bzw. vernichtet.
Polizist als Zeuge: Komisches Verhalten des 42-Jährigen
Jener Polizist, der am Dreikönigstag 2015 als erster am Tatort eingetroffen war, sagte noch am Dienstag als Zeuge aus. Er erinnerte sich an den Angeklagten, der ihm “komisch und verwirrt” vorgekommen sei. “Im Keller versuchten Sanitäter seine Mutter zu reanimieren und er bügelte Jeans und sprach nur davon, dass er Wäsche waschen muss.”
Laut Gerichtsmediziner war die 60-jährige nach mehreren wuchtigen Schlägen gegen den Kopf an einem schweren Schädel-Hirn-Trauma gestorben. Den Tathergang rekonstruierte der Forensiker folgendermaßen: Zuerst ein Faustschlag ins Gesicht, dann ein Schlag mit einem – bisher nicht aufgefundenen – Werkzeug gegen die Stirn, woraufhin die Frau zu Sturz kam, und dann fünf wuchtige Schläge mit dem Werkzeug gegen den Kopf bzw. in die Ohrenregion.
Verteidigerin Malena Stürzenbacher versuchte mit etlichen Beweisanträgen, die “noch vielen offenen Fragen” zu klären, blitzte damit jedoch bei dem Geschworenensenat ab. Hinsichtlich der ebenfalls vorgeworfenen Nötigung und der Körperverletzung erfolgte ein Freispruch für den Angeklagten.
(apa/red)