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50 Jahre Unabhängigkeit: Algerien in Frust und Freude vereint

Algerien feiert den 50. Tag der Befreiung vom französischen Joch.
Algerien feiert den 50. Tag der Befreiung vom französischen Joch. ©EPA
Algerien ist nicht nur Afrikas größtes Land, sondern auch das glücklichste. Zumindest wenn es nach den Zahlen eines britischen Think-Tanks geht. Im "Happy Planet Index" rangiert der nordafrikanische Staat an der Spitze des Schwarzen Kontinents. Zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit von Frankreich sollte die Bevölkerung umso mehr in besonderer Feierstimmung sein.

Am 5. Juli 1962 emanzipierte sich der Staat von der “Grande Nation” – 132 Jahre nach zahlreichen blutigen Aufständen und Kolonialkriegen mit den französischen Besatzern.

5. Juli nicht für alle Jubeltag

Pünktlich zum Jubiläum am Donnerstag säumen grün-weiß-rote Flaggen die Straßen der Hauptstadt Algier, doch in vielen Augen ist der staatstragende Pomp trügerisch. Wo die nationale Identität vor 50 Jahren die Bevölkerung einigte, steckt heute ein Keil in der Gesellschaft. Während die älteren Generationen der gefallenen Freiheitskrieger und Hunderttausend Toten im über siebenjährigen Unabhängigkeitskrieg gedenken, sehen sich die Jüngeren abgehängt von den demokratischen Entwicklungen in der Region.

Der Arabische Frühling, der in Tunesien begann, scheint an Algerien vorbeizuziehen. Damit schwindet für viele junge Algerier, Intellektuelle, Wissenschaftler und Oppositionsvertretern die Hoffnung auf mehr Mitbestimmung und wirtschaftlichen Aufschwung.

Für Tahar Belabes, Sprecher des nationalen Komitees zur Verteidigung der Rechte der Arbeitslosen, ist der 5. Juli deshalb kein Jubeltag. Anstelle der grün-weiß-roten Fahne der Unabhängigkeit Algeriens will er an diesem Donnerstag mit einer schwarzen Flagge auf die Straße von Algier gehen, um so seinem Ärger Luft zu machen: “Wir wollen unsere Verachtung gegenüber der Haltung des Staats zeigen und gegen Arbeitslosigkeit, Ungerechtigkeit und die Mafia demonstrieren, die uns beherrscht”.

Allal M, ein ehemaliger Freiheitskämpfer im Unabhängigkeitskrieg, gewinnt der Entwicklung des Landes hingegen trotz diverser Faux-pas der Regierungen einen positiven Trend ab. “Hauptsache ist doch, dass wir in Freiheit leben und dass unsere Kinder einen Zugang zur Bildung haben”, sagt der 69-jährige Taxifahrer.

Chems Eddine Chitour, Energieexperte und ehemaliger Professor in Algier, setzt auf Arbeitsmoral und Bildung als Weg zu einer besseren Zukunft: “Lasst uns den steinigen Weg des Wissens, der Wissenschaft und der Anstrengung einschlagen und in zehn Jahren, so Gott will, wird sich Algerien zu einem Land entwickelt haben, in dem man gut leben kann.”

Angst vor Bürgerkrieg präsent

Große Hoffnungen auf einen größeren Wandel gab es zuletzt vor rund eineinhalb Jahren, als zahlreiche Demonstranten gegen hohe Lebensmittelpreise und Jugendarbeitslosigkeit auf die Barrikaden gingen. Dem Protest ging allerdings bald die Luft aus.

Zum einen steht der Regierung dank riesiger Erdöl- und Erdgasvorkommen eine volle Staatskasse zur Verfügung, um die Bevölkerung mit Preissenkungen für Grundnahrungsmittel zu besänftigen. Zum anderem befürchten viele Algerier einen Konflikt wie in den 90er Jahren. Bei Kämpfen zwischen Regierungsanhängern und Islamisten starben damals schätzungsweise zwischen 100.000 und 200.000 Menschen. Dieser Bürgerkrieg hat das Verhältnis der Algerier zu Revolten nachhaltig vergiftet. Und der seit mehr als einem Jahrzehnt amtierende Präsident Abdelaziz Bouteflika verdiente sich beim Versöhnungsprozess Lorbeeren, von denen er bis heute zehren kann.

(APA)

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