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24.000 geförderte Mietwohnungen fehlen in Österreich

Die Nachfrage in Städten wie Wien ist ungebrochen.
Die Nachfrage in Städten wie Wien ist ungebrochen. ©pixabay.com (Sujet)
In Österreich gibt es an günstigen, geförderten Mietwohnungen zu wenig. Diese Einschätzung gab der Obmann der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), Karl Wurm, ab.

Der Nachholbedarf zum Schließen dieser Deckungslücke werde immer größer, helfen könnten eigentlich nur Sonderaktionen oder mehr Förderung. Aber die Bauindustrie sei an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angelangt.

Bauindustrie stößt an ihre Grenzen

Die Hochkonjunktur am Bau führe zu Verzögerungen, deshalb hätten auch die GBV-Mitglieder voriges Jahr etwas weniger Fertigstellungen geschafft, obwohl der Wohnungsneubau in dem Sektor den höchsten Stand seit Mitte der 1990er-Jahre erreicht habe, sagte Wurm im Jahrespressegespräch.

Die bei Ausschreibungen von den Baufirmen offerierten Baukosten seien zu hoch, viele Projekte müssten daher oft erneut ausgeschrieben werden, kritisierten er und sein Vize Alfred Graf. “Die Baukosten werden in den nächsten zwei Jahren hoch bleiben”, ist sich Obmann Wurm sicher: “Die Baufirmen sagen: ‘Wir sind zu.'”

Bestehender Wohnraum oft nicht leistbar

Ja, es gebe einen Bauboom, doch beziehe sich der vielfach auf freifinanzierten Wohnraum, der insbesondere für Jüngere und andere Einkommensschwächere nicht leistbar sei, sagte Wurm. Die Zahl der Haushalte steige weiter, daher sei die Nachfrage in den Städten wie Wien ungebrochen. “Die Schere geht auf. Das ist ein Problem, das in den Fokus genommen werden muss”, verlangte der Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen. Sein Stellvertreter Graf verwies darauf, dass der Fachkräftemangel am Bau mit ein Grund für die “ausgereizten Kapazitäten” der Bauindustrie seien.

Bei den Grundstückspreisen sei die Tendenz “steigend bis stark steigend”, sagte Graf, der vor allem die Verhältnisse in Niederösterreich sehr gut kennt. Für Wien hofft Wurm, dass die Bauordnungsnovelle, wonach bei Flächenneuwidmungen ab einer gewissen Größe zwei Drittel zu bestimmten Höchstpreisen für geförderten Wohnbau zu reservieren sind, von den Grundstücksverkäufern umgesetzt wird.

Niederösterreich-Modell sollte als Vorbild dienen

Unterstützt werden könnte leistbarer Wohnbau zudem durch die Baurechtsvergaben oder Grundvorkäufe durch Kommunen, die die Flächen günstig Bauträgern weitergeben. In Südtirol etwa darf bei Umwidmungen ein Teil nur zu bestimmten Preisen weitergegeben werden. Positiv hob Graf das Niederösterreich-Modell hervor, bei dem sich das Land 125 Mio. Euro an EIB-Darlehen abhole; dadurch bekomme man Wohnbaumittel zu 0,43 Prozent Niedrigzins, das drücke den Aufwand pro Wohneinheit um rund 200 Euro im Jahr.

Wurm forderte, andere Bundesländer sollten sich am NÖ-Vorbild orientieren, das über die Hypo NÖ – als Verwalterin der Landesdarlehen – abgewickelt wird, nachdem die auf Bundesebene geplante Wohnbauinvestitionsbank (WBIB) nicht zustande kam. “Vielleicht könnte das der Schlüssel zum Erfolg auch für andere Bundesländer sein.” Von der bevorstehenden Novelle zum Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) erwartet er sich, dass sie einem “Ausräumen” gemeinnütziger Baufirmen durch Finanzinvestoren einen Riegel vorschiebt.

Teure Quadratmeter-Preise in Wien

Neu fertiggestellte gemeinnützigen Mietwohnungen kosten die Bewohner samt Betriebskosten und Steuern rund 8 Euro pro Quadratmeter und Monat, in Wien auch 9 oder 9,50 Euro. Gegenüber privaten Mietwohnungen sei man um rund 3 bis 5 Euro pro Quadratmeter günstiger, dort lägen die Neubaumieten am Markt bei 12 bis 14 Euro je Quadratmeter. Die Mieten neuer GBV-Wohnungen lägen umgekehrt betrachtet um rund ein Fünftel niedriger als am freien Markt. In ausfinanzierten GBV-Wohnungen, nach 25 bis 35 Jahren, seien netto nur noch 1,80 Euro plus 2 Euro Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) zu berappen, brutto dann um die 6,50 Euro, hieß es am Mittwoch.

Das Neubau-Niveau der gemeinnützigen Bauvereinigungen bewegt sich derzeit auf Langzeitrekordhoch. Anfang 2019 waren in ganz Österreich rund 33.600 GBV-Wohnungen in Bau, zuletzt waren es Mitte der 1990er-Jahre so viele. Die sehr hohe Bauaktivität wird sich in den nächsten Jahren auch in überdurchschnittlichen Fertigstellungen niederschlagen: 2019 und 2020 dürften jeweils mehr als 16.500 Wohnungen übergeben werden, dann dürfte der “Peak” aber überschritten sein.

In Wien haben die hochkonjunkturell bedingten Bauverzögerungen dazu geführt, dass es im GBV-Sektor 2018 im Vergleich zu 2017 mit 15.500 Übergaben etwas weniger Fertigstellungen gegeben hat. Am stärksten war nach Verbandsangaben Wien von den Verzögerungen betroffen, hier wurde mit 3.900 Wohnungen der Zehnjahresschnitt von 4.400 knapp verfehlt.

Durchschnittlicher Haushalt emittiert 1,5 Tonnen CO2 jährlich

Thermisch saniert habe der GBV-Sektor voriges Jahr 8.100 Wohnungen – auf zwei neu errichtete komme eine Sanierung, berichtete Graf. Die Zahl der an Fernwärme angeschlossenen Wohnungen sei im Sektor seit 2001 von 120.000 auf über 350.000 erhöht worden (bzw. von 30 auf fast 60 Prozent). Beim Klimaschutz sei der GBV-Sektor vorbildlich: Bei 16 Prozent aller Hauptwohnsitze in Österreich (und 12 Prozent der gesamten Wohnnutzfläche) sei man nur für 8,7 (bzw. 6,2) Prozent der Treibhausgasemissionen aller Hauptwohnsitze bzw. der Wohnnutzflächen in Österreich verantwortlich. Ein durchschnittlicher Haushalt emittiere 1,5 Tonnen CO2 im Jahr, bei GBV-Haushalten mit 0,7 Tonnen halb so viel.

Mitte Mai enden die Funktionsperioden des langjährigen GBV-Obmanns Wurm (66) und seines Stellvertreters Graf (er wird diese Woche 65). Beim Verbandstag am 21. und 22. Mai in Wien wird eine neue Verbandsspitze gewählt.

(APA/Red)

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