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20 Jahre EU-Beitritt: Die Höhepunkte und Tiefpunkte

20 Jahre EU
20 Jahre EU ©APA
Kultur statt Kontrollen, eine bärtige Botschafterin und Skepsis vor neuen Mitgliedern: Der EU-Beitritt Österreichs am 1.1.1995 hat über die Jahre für einigen Wirbel in der Republik gesorgt.

Hier eine kleinen Auswahl, was die Österreicher in 20 Jahren EU-Beziehung bewegt hat.

EISZEIT MIT EUROPA

Anfang 2000 reagierte Europa auf die schwarz-blaue Koalition in der Republik mit lautem Protest und Ächtung. 14 EU-Partner froren diplomatische Beziehungen ein. Österreich kam wegen der Regierungsbeteiligung von Jörg Haiders Freiheitlicher Partei (FPÖ) international ins Gerede. Obwohl die Beziehungen auf europäischer Ebene eigentlich nicht von den Sanktionen betroffen waren, wurden EU-Treffen für österreichische Minister in den folgenden Monaten zu einem Spießrutenlauf. Nach einem Bericht von drei einberufenen Weisen hoben die EU-14 die Sanktionen kurze Zeit später offiziell auf. Die Weisen empfahlen in dem Bericht die Aufhebung der Strafen gegen die ÖVP-FPÖ-Koalition. Die Maßnahmen seien kontraproduktiv und hätten in Österreich nationalistische Gefühle hervorgerufen. Sieben Monate dauerte die Eiszeit, dem Verhältnis vieler Österreicher zur EU schadete es aber nachhaltig: Die Sanktionen befeuerten EU-Skeptiker und kühlte die Begeisterung vieler Bürger für Europa deutlich ab.

SCHILLING IM KOPF TROTZ EURO IM BÖRSERL

Mit dem EU-Beitritt stellte Österreich die Weichen für den Euro, von Jänner 2002 an hatten die Menschen die neue Währung in der Geldtasche. Die Umstellung im Kopf dauert allerdings immer noch an. In einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts market im Jahr 2013 gaben 60 Prozent der Österreicher an, ab und zu noch auf Schilling umzurechnen. Und mehr als elf Jahre nach der Euro-Bargeldeinführung geisterten noch immer riesige Schilling-Summen herum: etwa 8,8 Mrd. Schilling (640 Mio. Euro) wurden laut Österreichischer Nationalbank (OeNB) nicht umgetauscht. So sei ein Teil davon nicht mehr auffindbar oder im Ausland. Jedes Jahr ist die OeNB mit dem Euro-Bus auf Tour. Dort können Österreicher Schilling in Euro umtauschen. In diesem Jahr wechselten knapp 11.000 Bürger insgesamt rund 15,5 Mio. Schilling.

MITTE STATT RAND

Am 1. Mai 2004 feierten Millionen Menschen in ganz Europa eine Willkommensparty für zehn neue EU-Mitgliedsstaaten. Die Osterweiterung rückte Österreich über Nacht ins EU-Zentrum. Nach der Einschätzung von Meinungsforschern war etlichen Österreichern damals aber nicht zum Feiern zumute. Sie sorgten sich um ihren Arbeitsplatz oder fürchteten einen Anstieg der Kriminalität und des Transitverkehrs. Am positivsten wurde damals laut einer repräsentativen Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) die Aufnahme Ungarns in die EU gesehen. 60 Prozent der Befragten begrüßte 2003 den EU-Beitritt des Nachbarn mit der gemeinsamen Geschichte. Zehn Jahre nach der Osterweiterung zog Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ein positives Fazit. Die Erweiterung sei ein Turbo für Österreichs Wirtschaft gewesen. Und auch in einer ÖGfE-Umfrage äußerte sich mehr als die Hälfte der befragten Österreicher zufrieden: 53 Prozent gaben an, dass die Aufnahme der Nachbarländer in die EU vor zehn Jahren eine gute Entscheidung gewesen sei. Dagegen hielten 24 Prozent den Beitritt rückblickend für eine schlechte Entscheidung.

KULTUR STATT KONTROLLE

Lange Staus an den Grenzen und unangenehme Kontrollen sind für die meisten Österreicher nur noch Erinnerung. Der EU-Beitritt ermöglicht den Menschen in der Republik mittlerweile freie Fahrt in fast alle Nachbarländer. Am 1. April 1998 trat das sogenannte Schengener Abkommen für Österreich voll in Kraft, die Grenzkontrollen zwischen Österreich und seinen damaligen EU-Nachbarn fielen endgültig weg. Doch noch immer gibt es hierzulande Dutzende stille Mahner an frühere Zeiten: verlassene Zollgebäude. Einige Relikte bekommen nun eine neue Bestimmung. So wurden ehemalige Zollgebäude als Kulturraum revitalisiert, zum Hotel umgebaut oder stehen zum Verkauf. An der EU-Außengrenze in Vorarlberg bietet sich ein etwas anderes Bild. Hier bestehen die 14 Übergänge in die Schweiz und nach Liechtenstein weiter, auch wenn nur noch einer durchgehend besetzt ist. Die Richtung des Grenzverkehrs hat sich allerdings verändert. Früher pilgerten die Vorarlberger in die Schweiz, um dort Schokolade oder Nudeln zu kaufen, heute kommen die Schweizer in Scharen nach Österreich. Denn Lebensmittel sind hierzulande deutlich billiger als bei den Eidgenossen. Das liegt unter anderem am starken Franken, außerdem können die Schweizer die bezahlte österreichische Mehrwertsteuer zurückbekommen.

ÖSTERREICHS STIMME DER TOLERANZ

2014 wird eine vollbärtige Diva aus Österreich weltberühmt und zur europäischen Toleranz-Botschafterin. Wenige Monate nach ihrem Sieg im Mai beim Eurovision Song Contest (ESC) hält Travestie-Star Conchita Wurst bei einem Konzert vor dem Europaparlament in Brüssel unter dem Motto “Conchita, die europäische Stimme” eine Rede zu Europa. So warb die Diva aus Wien für Menschlichkeit und Gleichstellung. Doch Wurst wurde mit ihrem ESC-Auftritt nicht nur zu einem Gesicht Österreichs in Europa, sondern muss sich auch gegen Vereinnahmung durch die Politik, scharfe Kritik und Anfeindungen wehren.

FERNWEH OHNE GRENZEN

Reisen bildet. Das scheinen auch die Österreicher zu denken und nutzen eifrig die europäischen Vorteile. Schon seit 1992 nimmt Österreich am europäischen Austauschprogramm Erasmus teil, nach dem EU-Beitritt stieg die Zahl der österreichischen Erasmus-Studierenden stark an. 2012 feierte das nach eigenen Angaben erfolgreichste europäische Bildungsprogramm seinen 20. Geburtstag in Österreich. Und jedes Jahr nutzen mehr junge Menschen die Möglichkeit, über das Programm für ein Praktikum oder einen Studienaufenthalt ins Ausland zu gehen. Allein im vergangenen Jahr trieb es laut Erasmus-Statistik mehr als 5.700 Österreicher in die Ferne, seit dem Start des Programms waren 74.000 heimische Studierende mit Erasmus mobil. Besonders beliebt sind dabei Aufenthalte in Spanien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Am wenigsten zieht es die Österreicher nach Luxemburg und Rumänien.

Lesen Sie auch: Was die Österreicher zum Beitritt bewegte.

(APA)

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